der zweite festivaltag hatte sich eigentlich etwas kühler und mit möglichen gewittern angekündigt – die realität sah allerdings anders aus. kein wölkchen am himmel und akute sonnebrandgefahr, oder auch: perfektes festivalwetter. das line-up war ähnlich: zunächst sah es unscheinbar aus, einige acts entwickelten sich aber zu wahren highlights!

mein tag startete zunächst bei der space-stage. „fiva“ war mit ihrem „jrbb„-orchester angereist und schmiss uns ihre ausgeklügelten rhymes um die ohren. das war ganz nett und so, aber zugegben: fiva hab ich einfach schon zu oft gesehen. ich wollte mal was neues, frisches erleben und beschloss mich auf den weg zur weekender stage zu machen.

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der überflieger „rin“ war für die indoor-stage als opener gebucht und er, sowie die weiteren künstler an diesem tag, sollten einen eindruck davon vermitteln, was unsere jüngeren mitmenschen heutzutage gerne hören. stichwort: cloudrap!

als ich den großen andrang beim einlass in die vaz-halle sah, änderte ich meine pläne sofort wieder. denn wenn draussen schon so viel los war wollte ich mir nicht ausmalen wie ungemütlich vollgestopft es wohl innen drinnen sein würde. also wanderte ich zum ersten mal zur green stage, zur zweiten outdoor-bühne am fm4 frequency festival.

die band oder vielmehr der singer/songwriter „bry“ samt anhang aus irland war gerade dabei das publikum zu einem „circle pit“ zu animieren, diese message kam aber nicht ganz an. statt ein wirres im-kreis-laufen packten sich die leute an den schultern und formten eine polonaise, die wiederum einen kreis formte. sänger brian o’reilly meinte darauf nur schmunzelnd, dass das ein „gay circle“ sei und dass das gerade wohl einer der seltsamsten momente in seiner karriere sei. ich war mir bis dahin nicht sicher, ob ich ihn mögen oder hassen sollte. die richtigen sympathiepunkte sammelte er erst, als er das publikum um sonnencreme bat, da seine weisse haut sehr empfindlich sei. das war irgendwie lieb, dass er sich so verletzlich zeigte. die sonnencreme gab er nach eincremen der nase auch brav wieder zurück (shout out an den edlen spender matthias).

gegen ende des sets entschied ich dann doch, dass mir das gefiel was ich auf der bühne sah. brian o’reilly war mit seinem roten haar, dem hut und dem anschmiegsamen indie-rock eigentlich doch ein ziemlich cooles gesamtpaket. möchte ich definitiv wieder sehen. nächstes mal aber dann auch als teilnehmer der polonaise!

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nach bry ging es wieder zurück zur space-stage. „bear’s den“ waren gerade am musizieren. nette nachmittags-schunkel-musik, bärte und auch sonst ein nettes bühnenbild. mir war das aber ein bisschen zu langweilig. ich beschloss nochmal zu versuchen in das innenleben der vaz-halle zu gelangen und zu schauen was sich dort abspielte. und: abgespielt hat sich ziemlich viel!

nimo“ hastete auf der bühne herum, hatte visuals von sich selbst im hintergrund und begeisterte das junge publikum mit dem allseits beliebten cloud-rap. der raum war weit über die hälfte gefüllt, es wurde gekifft und zur musik mitgeschwungen, teilweise machte sich in kleinen gruppen sogar richtige ekstase breit. ich war ein bisschen baff welche anziehungskraft diese art von musik immer noch mit sich bringt. das muss diese „neue“ art von rebellion sein. früher war es das haare färben, dosenbier trinken und punk hören, heute ist es das kiffen, seltsame jugendsprachen auf twitter und snapchat verbreiten und eben cloud-rap hören. war ziemlich lit, vong stimmung her.

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nach einer dosis „nimo“ wollte ich wieder raus, raus an die sonne, raus zu „anne-marie„! die künstlerin hatte ich bereits vor einem jahr auf dem reeperbahn festival in hamburg bewundert und ich dachte mir damals nicht, dass sie es schaffen würde, fast 12 monate später auf der space-stage für derartige begeisterungsstürme zu sorgen. aber es gelang ihr mit leichtigkeit, ihren mix aus pop und rnb unter die leute zu bringen, sie zum tanzen zu animieren und gleichzeitig auch noch jubel zu ernten! ich war erstaunt, beeindruckt und konnte mich nicht losreissen von ihrer performance. sie ist die sorte künstlerin, die nicht wie der abgehobene superstar wirkt, sondern das mädchen von nebenan ist, dass dich wie aus dem nichts mit ihrer stimmgewalt regelrecht umwirft. man möchte sie auf der stelle zur besten freundin haben, weil sie so sympathisch wirkt. hach.

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und wieder ging es für mich zur weekender stage. wirkliche anziehungskraft hatte die dunkle höhle eigentlich nicht auf mich, es war viel eher mal wieder neugier auf die rap-stars von heute, von denen ich mir ein bild machen wollte. „karate andi“ nannte sich der nächste act. mit badeshorts und kapperl ging er auf der bühne auf und ab und schleuderte seine derben texte ins publikum. die feierten ihn ohne wenn und aber. ohne zu hinterfragen. bis nach hinten war die halle gefüllt und genauso roch es auch. ein mix aus schweiß und gras, aus ekstase und müdigkeit. ich wollte nach einigen nummern wieder raus und das gestaltete sich schwierig, aufgrund der hohen anzahl an anwesenden menschen. frische luft, schnell, bitte!

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ja, für mich war das festival schon ein kleiner marathonlauf. durchatmen? nein. kurz was essen gehen? keine zeit. es ging weiter, weiter zu „birdy„, die als nächste die area rund um die space-stage beschallte. wie sie es von edlen konzerthäusern auf festivalbühnen geschafft hat, ist mir zwar immer noch ein rätsel, aber gut. die kleine ikone nahm am klavier platz, versteckte sich ein bisschen dahinter und legte los. nett, sanft, anschmiegsam, so wie ein kleiner stubentiger. es war die beste zeit um sich in den arm zu nehmen. oder um das essensangebot endlich mal abzuchecken. ich tat zweiteres, weil ich mich nicht selbst umarmen wollte. ausserdem war mir birdy einfach einen tick zu unspektakulär.

endlich essen! dass die sängerin nebenbei die schönsten balladen trällerte war mir irgendwann ziemlich egal. mein einziger gedanke: pizza. seltsamerweise war das nämlich die einzige speise, die den wenigsten andrang zu verzeichnen hatte. keine kilometerlangen schlangen – und das bei so einem grandiosen gericht. wie auch immer, ich entschied mich dafür weil ich sehr wenig zeit hatte. ich durfte nämlich keine band verpassen und musste überall gleichzeitig sein (ich hoffe ich kann das irgendwann abstellen, seufz).

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die nächste bühne, die nächste band: „breaking benjamin“ auf der green stage standen auf meinem imaginären programm. aber eigentlich nur deswegen, weil ich wissen wollte, wie es dem frontmann denn so geht. immerhin ist er bekannt für seine flugangst und ich war neugierig ob er auch vor hohen bühne und fotogräben angst hätte. soviel sei gesagt: ängstlich wirkte der sänger auf keinen fall! aber er wirkte unentspannt.

soundprobleme machten es der truppe nicht einfach sich in ihrem set fallen zu lassen. um es sich nicht anmerken zu lassen und um die eigene schlechte laune zu kaschieren, versuchten sie es mit ablenkung der crowd. wie das aussah? alle paar sekunden plektren in die menge werfen und zusehen, wie sich die anwesenden wie die geier drauf stürzen. auch die ansagen wirkten wie auswendig gelernte aufsätze. die verzwickten gesichter vermittelten aber, dass sie absolut nicht happy schienen. was auch immer der grund dafür war, war schlußendlich auch mein grund wieder abzuhauen. wenn ich schlechtgelaunte bands sehen will, kann ich auch eine x-beliebige grantler-gruppe in einem leeren lokal anschauen gehen.

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als normalo-festivalbesucher stellte man sich sicher die frage: was muss man tun um auf dieses red bull flightdeck raufzudürfen? ich kann es euch leider nicht beantworten, ich schaffte es mit dackelblick und dem satz „bitte darf ich rauf für ein foto“ dieses wackelige gerüst zu besteigen. der sonnenuntergang kündigte sich gerade an, die space-stage wurde für den nächsten act umgebaut und „onk lou“ bespielte den obersten stock. ganz allein mit gitarre und seinem joe-cocker-stimmorgan betörte er die kleine crowd. nach 15 minuten huschte ich aber wieder runter, ich musste mich ja schließlich auf george ezra vorbereiten!

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planzen-banner und planzen-hemd: „george ezra“ war der lebendig gewordene dunkelgrüne-blätter-trend! das allein faszinierte mich minutenlang, dass ich mich anfangs gar nicht auf die poppigen schallwellen konzentrieren konnte. aber etwas später, als der erste song mit stadtnamen angekündigt wurde, spitzte ich die ohren. eine tiefe, weiche stimme flatterte mir da zu und das war schön. das problem mit „schön“: zuviel „schön“ wird schnell fad. der musikaffine besucher braucht ecken und kanten, irgendwas schiefes, etwas was aus der reihe tanzt um bei laune gehalten zu werden. ihr ahnt es: george ezra blieb bei schön, blieb bei perfekter schwiegersohn, blieb bei „hemd passt zu banner“.

George Ezra, 2017
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ich wagte mich noch einmal in die höhle des löwen oder besser gesagt: in die dunkelkammer des „yung hurn„. zur begrüssung machte er eine flasche sekt auf und übergoss nicht nur sein publikum sondern auch das presse-fotografen-personal. lautes gekreische setzte instant ein, ein gefühlscocktail aus euphorie, hysterie, freude und angst mixte sich unweigerlich zusammen, denn das größte cloud-rap-idol im deutschsprachigen raum war anwesend und präsentierte sich wie ein gott.

nicht wie ein gott aber wie ein ausgesetzter pudel verhielt er sich zu beginn und suchte zuallererst die nähe zu seinen fans, ließ sich betatschen und streicheln, ehe er sich wieder auf sein territorium, die bühne zurückzog. dort wartete bereits eine horde an menschen, die mit ihm feiern und joints rauchen wollten und nebenbei wurde natürlich die musik von herrn hurn abgespielt.

da es ziemlich warm war, entledigte er sich relativ schnell seinem t-shirt um die hühnerbrust und die darauf gestochenen tattoos zu präsentieren. so sieht sie also aus, die selbstinszenierung, die darstellung, dass man sich alles erlauben könne im jahr 2017. vorbildfunktion? wer braucht das schon! yung hurn zelebriert konsum und ekstase und zwar im überfluss. feiern und feiern lassen. es glitzert und funkelt, bling bling. übertreibung heißt die neue lebenseinstellung!

20 minuten yung hurn reichten mir, danach musste ich gehen. ich wollte meine verspeiste pizza nicht halb-verdaut zurückbekommen.

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eigentlich ist es ziemlich doof, wenn man sich auf etwas freut und dann darauf verzichtet. aus verschiedenen gründen. den egoistischen willen einfach hinten anstellt. so geschah es bei „placebo„. ich blieb 2-3 songs lang (die wunderschön waren!) und danach ging ich einer freundin zuliebe mit zu cypress hill. natürlich wanderte ich auch deswegen zur green stage, weil ich neugierig war, was das für menschen sind, die sich keinen wunderbar klagenden brian molko zu gemüte führen. und das ergebnis war erstaunlich.

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ganz vorne, da rappten „cypress hill“ und ganz hinten, da waren wir. dazwischen befanden sich gefühlt millionen von menschen. der gute alte trick auf der rechten statt auf der linken seite sich den weg nach vorne freizukämpfen funktionierte. zum glück. umgeben von einer riesengroßen weed-wolke suchten wir uns ein halbwegs tanzbares plätzchen. auch das klappte ganz gut.

wie erwähnt war die große menschenansammlung aber dennoch erstaunlich. erstaunlich deswegen, weil sich nicht nur junge und auch nicht nur nur ältere generationen auf dem plastikmatten-boden aufhielten, sondern die gesamte ansammlung völlig durchmischt war. hip hop für alle generationen, mitmach-aktionen für alle generationen. springen und klatschen geht zum glück in jedem alter.

dennoch kribbelte es bereits in meinen füßen und ich wollte nach kurzer zeit wieder zurück. zurück zur space-stage. denn „bilderbuch“ waren dort als headliner angesetzt und seit ihrem dreifach-gastspiel in der arena bin ich endlich wieder pro-maurice-samt-band. das stressen lohnte sich: gerade noch einen platz im wavebreaker ergattert, ehe wegen überfüllung wieder abgesperrt wurde.

es gab ja eine zeit, in der ich der hippen band nicht so wohlgesonnen war. das war, als alles nur supermegafancy und reduziert nach schick schock klang. damals war nur maschin der einzige mainstream-party-hit. und mit nur einem mainstream-party-hit kann man zwar ein solides set spielen, aber keine dauer-ekstase erzeugen. das „neue“ album „magic life“ bringt den frischen mainstream-wind rein, den ich mir gewünscht hatte. noch ein bisschen perfektionierte show oben drauf – fertig ist der hitmix.

und es war wirklich so als würde man nur einen hit nach dem anderen hören. jeder song war präsent, auch wenn man in seiner freizeit eher kein bilderbuch-hörer war. dazu ansagen, die leicht provozierten, reizten und aus der reserve lockten – aber immer in der richtigen dosis. die gratis- und vip-kultur wurde mal wieder gehörig auf die schippe genommen (frinks! sneakers for free!) und alles wurde mit einer großen portion überspitzung rübergebracht. die zwei gospelsängerinnen und ihre rap-parts waren nur noch das tüpfelchen auf dem i. da musste selbst der größe bilderbuch-hasser „chapeau“ murmeln – denn der auftritt war wirklich gut, headlinergerecht und mainstreamtauglich.

Bilderbuch, 2017
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