zum glastonbury festival anreisen, jede menge besondere momente erleben und überforderung pur spüren: der erste tag war eine wahre achterbahn der gefühle.

es war donnerstag morgen, wir waren frisch geduscht, hatten zwei vollgestopfte backpacker-rucksäcke und ein zelt vorbereitet (eine packliste folgt noch!), tankten das mietauto noch schnell voll und begaben uns dann auf die reise zum glastonbury festival. ich konnte es selbst während der fahrt immer noch nicht ganz glauben, dass es endlich passieren würde, dass wir zu einem der bedeutendsten festivals der welt fahren würden. ich war nervös, gereizt und hatte angst, immerhin hatte ich seit 2005 nicht mehr auf einem festival gecampt. würde ich das überhaupt überleben? aber ich musste da durch, es gab keine andere möglichkeit und irgendwie würde ich das schon schaffen. step by step oder so. noch waren wir am weg, noch waren wir gar nicht da.

ich verließ mich bezüglich der navigation vollkommen auf meinen freund, er sagte mir den weg an, während ich mich durch die engen straßen über wilde hügel kämpfte und versuchte, den linksverkehr nicht zu vergessen. tatsächlich waren wir irgendwann bei einer abbiegespur zu einem glastonbury festival parkplatz – ein bisschen über die buckelige wiese gescheppert und schon wurden wir am äußersten ende eingewiesen und parkten dort unseren treuen begleiter. es war schon komisch – alle menschen rund um uns schleppten unmengen an zeug und hatten zusätzlich noch fahrbare wägen mit, und wir hatten nur unsere zwei rucksäcke und das zelt. hatten wir sicher alles dabei?

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es dauerte knapp 30 minuten bis wir beim einlass waren. das gelände verfügte über mehrere zugänge, sogenannte „gates“. wir betraten es über das „gate d“ – nach kurzem gepäck-check und ticket-check erhielten wir unsere festivalbänder, ein festivalprogramm und eine tragetasche und kamen dann zu einer kreuzung mit einem riesengroßen geländeplan inklusive eingezeichneter, freier campingstellen. auch diesmal verließ ich mich voll und ganz auf meinen freund – er war im jahr 2013 schon einmal da und wusste in welche richtung wir am besten gehen. ich war ein bisschen verloren, alleine hätte ich dazu mindestens dreimal solange gebraucht um mich zurecht zu finden.

direkt hinter der john peel stage, neben dem familiencampingplatz und gegenüber einem frühstückszelt, befand sich eine ecke mit vielen freien stellen. warum waren da noch keine zelte? was war an dem platz so schlecht? eigentlich war nämlich gar nichts schlecht daran. nach kurzem überlegen (ich wusste eigentlich nicht was es zu überlegen gab, ich war campingneuling und hatte überhaupt keinen plan auf was es ankommt) ließen wir uns nieder und begannen unser zelt aufzubauen. auch im zelt aufbauen war ich alles andere als geübt und fühlte mich etwas fehl am platz. was machte ich da gerade, bin ich mir sicher ob ich das eigentlich will? aber dann rief ich mir wieder in erinnerung dass ich gerade dabei war, eines der besten festivals der welt zu besuchen und dass camping unumgänglich war. ich biss die zähne zusammen und versuchte meinem freund so gut es geht beim zeltaufbau zu unterstützen (danke, dass du mich so tapfer ertragen hast!).

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irgendwann waren wir tatsächlich fertig: das zelt stand, es war gemütlich eingerichtet, wir waren umgezogen, der tagesrucksack war gepackt und mein freund hatte wie immer einen plan, was wir als nächstes machen würden. ich war noch etwas ratlos, wusste gar nicht wo ich zuerst hinschauen sollte vor lauter reizüberflutung und ließ mich von ihm über das gelände mitschleifen. unsere destination war die bühne „the rabbit hole“, ich sah allerdings vor lauter menschen nicht mal die beschilderten wege und war völlig überfordert. irgendwie ging mir das alles zu schnell und hunger hatte ich auch.

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wir waren im rabbit hole, ein zelt welches eine winzige bühne beherbergte, und warteten. und warteten und warteten. tontechnik-probleme verzögerten den beginn des auftrittes von den „swimming girls“ erheblich und ich wurde langsam ungeduldig. weiter warten und den guten platz behalten oder gehen und den hunger stillen? zunächst entschied ich mich für ersteres, nach ein paar nummern der swimming girls (welche mir viel zu poppig zum alternativen aussehen waren) aber verzog ich mich nach draussen in die hitze um meinem knurrenden magen ein ende zu bereiten. dank cashless-bezahlsystem konnte ich ganz einfach ein panini um viel zu teures geld erwerben und begann danach zu heulen. ich heulte weil ich überfordert war, weil ich nicht mal das erste konzert anschauen konnte, weil ich meinen körper und den hunger nicht unter kontrolle hatte. eine ältere dame sah meine tränen im gesicht, blieb kurz stehen, umarmte mich und sagte: „no need to be sad, you’re at glastonbury!“

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irgendwie hatte sie recht und irgendwie aber auch nicht – nur weil das festival für 99% der anwesenden ein happy place war, musste es doch nicht einer für mich sein? ich wollte ruhe und stille und musste mir langsam im klaren darüber werden, dass ich diese option für die nächsten tage nicht hatte. irgendwann gabelte mich mein freund wieder auf und schlug vor zum „glastonbury sign“ zu gehen, rauf auf den hügel. ich konnte mir besseres vorstellen als bei viel zu vielen temperaturen einen berg raufzuklettern (okay das ist übertrieben) aber wir hatten einstweilen nichts anderes zu tun.

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ein eisgekühltes cola und eine atemberaubende aussicht später ging es mir wieder etwas besser. ich war trotzdem immer noch ein bisschen neben der spur und ärgerte mich über den müll, den manche menschen machten und verstand nicht, warum sich das festival als „green festival“ betitelte. erst viel viel später begriff ich, dass unfassbar viele leute damit beschäftigt waren, täglich den müll einzusammeln, um jeden tag wieder ein sauberes gelände bieten zu können. aber in jenem moment war mir das nicht bewusst.

wir spazierten herum, besuchten das extra aufgebaute pier „glastonbury on sea“, inklusive kasperltheater und kiss-me-sign um kuss-fotos herauszufordern, und machten uns dann auf den weg zum strummerville-gelände. benannt nach the-clash-gründungsmitglied joe strummer, befand sich auf einem hügel weit abgeschieden eine eigene kleine welt mitten im wald, inklusive alten sofas zum gemütlichen abhängen. als wir ankamen musizierten gerade „ferris & sylvester„, ein singer/songwriter-duo das dafür sorgte, dass alle mucksmäuschenstill waren und aufmerksam zuhörten. irgendwann am nachmittag, mitten im wald, am tag null. irgendwie war alles ein bisschen surreal, irgendwie ging mir alles ein bisschen zu schnell und doch war strummerville genau das was ich zu diesem zeitpunkt brauchte: es war ruhiger als an allen anderen orten auf dem festival und trotzdem war ich mitten im geschehen. es war perfekt.

für die nächsten zwei acts erhoben wir uns von unseren plätzen und suchten weiter vorne ein fleckchen erde, um das weitere treiben beobachten konnten. „johnny lloyd“ betrat das bühnenparkett und konnte unfassbar viele menschen in seinen bann ziehen. auch mein freund war angetan von seiner musik und ich war immer noch ein bisschen in der eingewöhnungsphase. ich frage mich ob ich an jenem tag noch in richtige konzertstimmung kommen würde, aber da hatte ich das nachfolgende set von „frank turner“ noch nicht bedacht. es wurde voller und voller, so voll, dass das strummerville-gelände schließlich gesperrt werden musste. alle wollten frank turner sehen und nach ein paar gespielten nummern und die unbändige freude seiner hardcore-fans in den ersten reihen, kippte ich auch langsam rein. frank turner verstand es alle anwesenden anzusprechen und mit wenig mitteln unfassbar viel zu geben. ausserdem hörte ich zum ersten mal an diesem tag mir vertraute musik – vielleicht war das ein weiterer grund, warum ich mich endlich wohler in der menschenansammlung fühlte.

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wir spazierten zum stone circle, denn dort sollte laut recherchen meines freundes das nächste abenteuer beginnen. frightened-rabbit-fans hatten ein besonderes happening eingefädelt: irgendwo rund um den stone circle würde ein zeichen erscheinen, und dort würde ein spezial-konzert stattfinden. bald sahen wir eine handvoll menschen am oberen ende des hügels spazieren und machten uns auf den weg dorthin. wir setzten uns unter einen baum, während einige leute versuchten die imaginäre bühne vorzubereiten. dann kam frank turner mit seiner gitarre und begann gemeinsam mit einem zweiten jungen herren einige frightened rabbit songs zu performen, in gedenken an den verstorbenen scott hutchison. es war so ergreifend zwischen all diesen menschen zu sitzen und diesen songs zu lauschen, ich war mal wieder den tränen nahe und konnte es kaum realisieren, was gerade passierte.

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leider musste frank turner nach wenigen nummern wieder gehen, der zweite junge herr sang aber alleine weiter. irgendwann machten wir uns wieder auf den weg zum nächsten programmpunkt. wir wollten „tom walker“ im rabbit hole sehen und unterschätzen den enormen andrang. es war soviel los, dass man sich teilweise weder nach vor noch zurück bewegen konnte. das konzert konnten wir uns abschminken, viel eher lautete unsere devise: irgendwie raus aus dem menschenstrudel!

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wir schafften es raus und konnten unseren letzten programmpunkt wahrnehmen: ein dj-set von „jon hopkins“ auf der bbc introducing stage. aber einmal mehr war ich überfordert von der menschenansammlung, diesmal ekelte ich mich aber vor allem vor einer horde alten männern, die munter koksten und mich immer widerlich antanzten. ich wollte nur noch schlafen gehen, fand die musik von hopkins leider nur anstrengend und hoffte, dass auch mein freund irgendwann in heimgeh-stimmung kam. denn alleine zum zelt zurückfinden war nicht vorstellbar. und tatsächlich: irgendwann waren wir am weg zurück zu unserem zelt und kuschelten uns in unsere schlafsäcke und konnten endlich zur ruhe kommen. ich war selten so glücklich über etwas so banales und hoffte, dass der darauffolgende tag keine überwältigende wirkung mehr haben würde.

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