es war ein visualisierter synthie-traum, es war paradoxerweise ein ruhiger gig mit schnellen nummern: die „chromatics“ konnten am ende ihre konzerts in der wiener arena alle herzen für sich gewinnen.
was darf man eigentlich von einer 80er-jahre angehauchten dream-pop band auf der bühne erwarten? ich war mir sehr unsicher, als ich an jenem montag abend gemeinsam mit meinem freund auf dem weg zur arena war. aber ich wollte mich überraschen lassen: vielleicht waren die „chromatics“ ja genau mein ding. bevor ich das aber herausfinden konnte, mussten wir erstmal ankommen, die bar ansteuern, einen platz suchen und die vorband „desire“ begutachten.
„desire“ sind ein dreier-gespann aus montreal, dem auch johnny jewel – der eigentlich das mastermind bei den „chromatics ist – angehört. als die sängerin megan louise auf der bühne stand und in einem knallengen ganzkörper-latex-anzug performte war es ein bisschen schmerzhaft ihr dabei zuzusehen – die schweißperlen tropften über ihre wangen, das unbehagen stand ihr ins gesicht geschrieben und trotzdem hüpfte sie fröhlich zur synthie-musik. der auftritt war gut, aber ich konnte aufgrund ihres outfits fast nicht hinsehen – warum tut man sich solche qualen an?
ich hoffte wirklich, dass die „chromatics“ in angenehmerer kleidung auf der bühne stehen würden und dem war dann schließlich auch so. endlich konnte ich hinsehen, ohne solidarisch innerlich ein bisschen sterben zu müssen. hinsehen war überhaupt ein gutes stichwort: die show lebte vor allem durch 80er-jahre visuals, die gruppe selbst hatte mit bewegungen nicht soviel am hut. nur johnny jewel wippte manchmal auch heftiger hin und her. die gesichtsaudrücke waren meistens ziemlich finster – manchmal fragte ich mich, ob die band denn überhaupt spass am musik machen hatte. aber einen gewissen spass mussten sie am musizieren haben, sonst wäre nach sieben jahren nicht einfach so ein neues album namens „closer to grey“ vor kurzem veröffentlicht worden.
ich hatte ein bisschen mühe mich auf die „chromatics“ einzulassen. ich war nicht gut vorbereitet, kannte nur wenige lieder, und an ihre filmmusik von gesehenen filmen kann ich mich auch nicht erinnern – vielleicht wäre das aber von vorteil gewesen, um situationen vor meinem geistigen auge zu haben und somit schneller hinein kippen zu können. und so versuchte ich mir auszumalen, welche szenen und welche geschichten dazupassen könnten. es war ein mühsamer akt, soviel kann ich dazu sagen. ein bisschen abwechslung kurbelte schließlich dann auch meine phantasie an: ein kratzendes blitzlichtgewitter und ein gesungener part von adam miller ließen die 80er-jahre-monotonie etwas verfliegen.
das dahinwummernde synthie-konzert nahm dann gegen ende eine dramatische wende: als das letzte lied langsam ausklang, konnte ein besucher es sich nicht verkneifen, einen becher auf die bühne zu werfen. johnny jewel hob den becher auf, trat vors mikrofon und fragte, warum zu hölle dieser becher auf die bühne geschossen wurde. danach verließ er das bühnenparkett und ein gedanke machte sich breit: haben wir jetzt die zugaben verspielt? es dauerte eine gefühlte ewigkeit bis auf dem screen im hintergrund andeutungen gemacht wurden, dass es doch noch weitergehen würde, dass wir doch noch in den genuss der zugaben kommen würden.
das warten bis zum schluss lohnte sich, denn die „chromatics“ haben auch den ruf sehr gute cover-versionen zu machen. sängerin ruth radelet performte „i’m on fire“ so andächtig und wunderschön, dass es ein bisschen egal war, dass mir das restliche konzert nicht unbedingt so zugesagt hatte. ich war so verliebt in ihre interpretation des bruce-springsteen-klassikers, ich wollte, dass der song nie endet. aber es folgte die zweite zugabe „shadow“ ehe wir nochmal in den genuss eines covers kamen. „running up that hill“ war der abschluss eines eher unspektakulären auftritts. da es aber trotzdem einige grandiose momente gab, darf ich das wort „unspektakulär“ eigentlich gar nicht verwenden. deswegen formuliere ich es nun so: das konzert war schon sehr okay und glänzte mit einigen großartigen höhepunkten.