der letzte tag auf dem glastonbury festival war gespickt mit einmaligen highlights und unfassbar großartigen auftritten, aber auch mit kleinen enttäuschungen.

am letzten festivaltag schliefen wir lange. es war kühler, sogar ein bisschen bewölkt und es war angenehm am vormittag im dünnen pullover nach draussen zu gehen um die toilette aufzusuchen. wir gingen alles ganz gemütlich an, stressten uns nicht. am letzten festivaltag hatten wir nicht mehr den drang möglichst viel in möglichst kurzer zeit zu sehen. die wichtigsten künstler waren auf zwei bühnen verteilt und das reichte vollkommen für den abschlusstag.

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wir schlenderten ganz gemütlich zur other stage, unserer lieblingsbühne, wenn ich das mal so sagen darf. dort war beatboxer „sk shlomo“ gerade am musizieren, oder besser gesagt am reden. eigentlich redete er mehr als er musik bzw beats machte, und wenn er musik machte, dann nicht mit seinem stimmorgan, sondern mit seinem laptop. ich verstand das nicht so ganz, aber er sorgte für gute stimmung, „so früh am morgen“.

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wir blieben bei der other stage, denn die nächste band traf ebenfalls unseren geschmack: „circa waves„. ich sah die herren aus liverpool bereits zum dritten mal live und musste feststellen, dass sie immer besser wurden. mehr hits schlichen sich ins set, mehr charisma machte sich in den gesichtern breit und mehr selbstsicherheit strahlten sie aus – vor allem der frontmann kierung shudall hatte sich gut entwickelt. das konzert von circa waves war perfekt um in die gänge zu kommen, um ganz behutsam ein bisschen hin und her zu wippen und um gegen ende des auftritts sogar ein bisschen energie in ganz minimale hüpfbewegungen zu investieren.

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mein freund war ein bisschen unschlüssig, irgendwie wollte er alles und nichts sehen. ich schlug vor zur pyramid stage zu gehen, denn „years & years“ würden dort auftreten. vor einigen jahren hatte ich die gruppe bereits in wien erlebt und wusste, dass die londoner immer eine gute show liefern. gesagt, getan.

sänger und entertainer olly alexander verwandlete das areal in ein großes lgbt-fest, hielt ansprachen die ihn selbst zu tränen rührten und tanzte sich im extraordinären outfit von der bühne direkt in die herzen der anwesenden. das konzert war wirklich gut, auch wenn ich nicht allzu viel davon sehen konnte dank riesengroßen menschen vor mir. aber die grundstimmung war eine gute, und vermutlich hat allein das ausgereicht, mir positive gedanken in den kopf zu zaubern, wenn ich nun zurückdenke.

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wenn wir schon mal da waren, im kunterbunten glitzermeer vor der pyramid stage (gefühlt alle menschen hatten glitzer im gesicht und funkelten outfit-technisch ebenfalls in allen farben), konnten wir auch gleich da bleiben. das nächste highlight nannte sich „kylie minogue“ und auch, wenn mein freund nur eine langweilige alte sängerin erwartete, wurde er bald eines besseren belehrt. und auch ich war einmal mehr überrascht, dass sie ihre show in wien vergangenen herbst noch um ein vielfaches toppen konnte.

wo fange ich an, wo höre ich auf? jeder song von kylie war ein highlight, denn sie präsentierte nur ihre allerbesten songs – gepaart mit einer unglaublichen sympathie und wunderschönen ansprachen. als sie „where the wild roses grow“ anstimmte und plötzlich nick cave neben ihr stand, war das ein unheimlich ergreifender moment. ich musste mich wirklich bemühen vor rührung nicht loszuheulen. von der ununterbrochenen gänsehaut reden wir erst gar nicht. kurze zeit später erklang dann „kids“ – die wohl allerbeste nachmittagshymne, die man sich nur wünschen kann. der refrain umhüllt einen einfach mit guter laune, selbst wenn man einen schlechten tag hat.

kylie erzählte von ihrer glastonbury-absage im jahr 2005, da sie damals an krebs erkrankte und davon, dass coldplay ihr damals ein ständchen spielten. wenige sekunden später stand chris martin auf der bühne, um ein paar wörter zu singen aber vor allem um kylie auf der gitarre zu begleiten. ach verdammt, was solls, ich musste jetzt einfach heulen. und geheult hab nicht nur ich, sondern auch kylie. es dauerte einen kurzen moment, bis wir uns alle wieder erholten. und gleich nach der erholungsphase ging es in den endspurt ihres sets, inklusive allen tanzhits, die kylie in ihrem repertoire hat. „spinning around“ markierte den abschluss und ich war überglücklich – was für ein tolles konzert!

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nach so vielen tiefen emotionen war es schwierig sich auf das möchte-gern-rockstar-gehabe von „miley cyrus“ einzulassen. bereits nach 15 minuten hatte ich das gefühl bei einer cover-band gelandet zu sein, anstatt einem konzert von miley cyrus beizuwohnen. ich konnte überhaupt nichts mit ihr anfangen – ihre lasziven bewegungen wirkten aufgesetzt und unpassend. nach irgendeinem hit von ihr, den ich aber gar nicht benennen kann, verließen wir das areal und zogen weiter.

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die frau der stunde stand als nächstes auf unserem plan. ganz schnell sind wir rüber zur other stage gelaufen um ja keinen ton zu verpassen. und dann hüpfte sie ganz cool auf die bühne: „billie eilish„. ich hatte große erwartungen, ich dachte sie würde mich bereits mit ihrem ersten tune umhauen. vielleicht war das der falsche ansatz, vielleicht hätte ich mehr als nur die üblichen radiohits kennen sollen, dann hätte ich mir wohl ausmalen können, wie die live-show aussehen wird. ganz ehrlich: ich war enttäuscht. zu beginn natürlich nicht, weil sich alles super frisch anhörte und ihr herumgehüpfe und ihre posen auch ganz nett waren. aber darüber hinaus passierte einfach nichts. weder musikalisch noch showtechnisch. billie eilish war leider ziemlich langweilig.

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wir überlegten wieviele menschen wohl nun bei der pyramid stage sein würden – die nächste band auf der größten bühne nannte sich „vampire weekend“ und irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass die gruppe auch kylie- und miley-fans ansprechen würden. großes wandern oder geduldiges warten auf the cure? okay, weder noch. viele leute waren noch da und sicherten sich ihre plätze, viele gingen aber auch und hinterließen löcher im publikumsbereich. wir belagerten so ein loch und warteten bis der gig beginnen würde.

auch diesmal plagte mich wieder das große problem der sichteinschränkung, aber nichtsdestotrotz war der soundtrack wenigstens ein guter. vampire weekend waren redefreudig, hatten eine gute song-mischung vorbereitet und naja – konnten trotzdem nicht so ganz überzeugen. der vormittagsgig am tag zuvor war einfach viel persönlicher und spezieller, der co-headline-slot leider eher von der sorte „muss halt erledigt werden“. trotzdem gab es natürlich highlights wie zb „a-punk“ und „oxford comma“ – diese highlights zu spielen war allerdings notwendig. ich hätte ihnen sonst nicht verziehen, dass sie einfach sang- und klanglos nach ihrem auftritt verschwanden. ohne tschüss zu sagen.

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wir spazierten zur john peel stage und das war gefährlich: unser zelt stand dort ganz in der nähe und einfach schlafen zu gehen war sehr verlockend. aber nein, stattdessen stärkte ich mich kurz beim multifunktionalen frühstückszelt (welches eigentlich den ganzen tag speisen anbot) und kauerte mich später in die wiese um darauf zu warten, von mike skinner aufgeweckt zu werden. es war schon ein bisschen arg: auch wenn „the streets“ nach ihrer reunion gefühlt ständig in england auf tour waren war das interesse an ihnen unfassbar groß. das john peel zelt war vollgestopft, es brodelte richtig! ich stattdessen kämpfte mit der müdigkeit und hoffte, dass ich den auftritt überstehen würde.

in einer geschützten zone konnte ich mehr schlecht als recht das konzert verfolgen, konnte sehen wie krass es in der menschenmenge abging und wie motiviert mike skinner schon wieder war. das war alles sehr beeindruckend! auch beeindruckte mich, dass diese zeitlosen songs mich immer noch tief berührten. the streets forever.

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wir blieben nicht bis zum schluss, wir wollten noch kurz zu „christine & the queens„, die gerade auf der other stage tanzte. was soll ich sagen – ich war wohl nicht mehr aufnahmefähig, konnte im bühnennebel kaum etwas erkennen und verlor schnell das interesse an der französischen tänzerin. irgendwie vermisste ich auch ein bisschen den bass, der wohl einfach nicht bis zu mir vibrieren wollte. die frage war nun folgende: heimgehen oder versuchen, noch einen headliner zu erwischen?

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tatsächlich sprinteten wir noch zur pyramid stage um die letzten töne aus dem zugabenblock von „the cure“ zu genießen. es war perfekt: wir liefen richtung bühne, aus den boxen dröhnte „friday i’m in love“ und ich konnte mir keinen besseren abschluss für unser wochenende auf dem glastonbury festival vorstellen. mit „boys don’t cry“ endeten unsere sehr musikalischen tage und ich spürte tiefe zufriedenheit in mir. was für ein perfekter abschluss, was für schöne konzerte, was für eine tolle zeit (wenn man die anfangsschwierigkeiten meinerseits wegzählt)! und danke an meinen freund, der das alles mit mir so tapfer durchstand und mir ein festivalerlebnis bescherte, welches ich ohne ihn wahrscheinlich nie erfahren hätte!

abschließend möchte ich noch sagen: das glastonbury festival ist runtergebrochen natürlich auch einfach nur ein festival auf einer großen wiese mit vielen fahnen, aber auch eines, welches aufzeigt, was ein festival noch alles sein kann: die selbstverständlichkeit immer aufeinander zu schauen, die selbstverständlichkeit die musik zu genießen und vor allem auch wegen der musik da zu sein, die selbstverständlichkeit sich nicht komplett mit alkohol umzunieten, die selbstverständlichkeit die großen momente gebührend zu feiern, die selbstverständlichkeit der veranstalter sich konzepte zur verbesserung der nachhaltigkeit zu überlegen und die selbstverständlichkeit am abreisetag seinen müll wegzuräumen. das glastonbury festival ist nicht perfekt, aber hat verdammt viele gute ansätze. auch wenn ich das alles zu beginn des festivals nicht glauben wollte, habe ich am ende doch eingesehen, dass sehr viel möglich ist, wenn man einfach nur bereit dazu ist.

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