der samstag auf dem glastonbury festival war der vorletzte festivaltag und er präsentierte sich äußerst legendär: mit vielen alten und vielen neuen legenden.

es ist schon erstaunlich, wie anpassungsfähig menschen sind: noch ein paar tage zuvor konnte ich mir nicht vorstellen in einem zelt zu schlafen, und dann fand ich plötzlich die zweite nacht am campingplatz richtig angenehm. vielleicht war es auch dem geschuldet, dass ich in der nacht zuvor ein bisschen alkohol getrunken hatte. vielleicht aber hatte ich mich einfach daran gewöhnt und damit abgefunden, dass ich kein richtiges bett haben werde. wie auch immer – ich fühlte mich ausgeruht am samstag vormittag und erwartete schon voller vorfreude die bestätigung des gerüchts, dass „vampire weekend“ ein secret set auf der park stage spielen würden.

glasto2

und dann war es plötzlich soweit: die push-benachrichtigung via twitter versetzte mich in aufregung. waren wir schon zu spät, wenn wir uns jetzt auf den weg machen? und überhaupt: wieviele menschen würden sich auf den weg machen? wir machten ganz schnell: mit feuchttüchern waschen, anziehen, zähne putzen, vodka orange mischen. und dann ging es auch schon los richtung park stage, ca. 30 minuten fussmarsch entfernt.

als wir beim besagten gelände ankamen, war da kein mensch. nur unfassbare hitze. wir suchten uns einen schattenplatz beim foh, frühstückten und warteten. und das warten kam mir irgendwie besonders lang vor. vielleicht verstärkte die hitze das gefühl, dass die zeit nicht verging. es dauerte auch sehr lange, bis endlich ein paar mehr menschen auftauchten. vielleicht war aber auch daran die hitze schuld – wer will schon eine stunde lang in der prallen sonne auf einen gig warten?

wie auch immer – wir warteten und wurden schließlich pünktlichst belohnt. „vampire weekend“ so früh zu sehen war etwas komisch, aber irgendwie auch cool – ihre sanfte musik war wie ein leiser weckton, nicht zu aufdringlich aber trotzdem anregend. die band rund um sänger ezra könig spielte ein sehr untypisches set, nach drei nummern wurde nämlich das publikum befragt, welche songs als nächstes dran kommen sollten. es entstand eine ganz eigene nähe, eine ganz eigene dynamik, ein ganz eigenes gefühl – vor allem auch weil sie versprachen, dass sich das set am nächsten tag kaum überschneidet.

glasto__42
glasto__43

zwischendurch entdeckte ich ein cap, welches meinen struggle während dem festival manifestierte: „sorry for blocking your view“ stand da drauf, und ich fühlte mich verstanden. dass sich dieses problem den ganzen tag durchziehen würde, konnte ich in dem moment noch nicht ahnen.

glasto__41

wir gingen wieder zurück zu unserem zelt, einerseits um uns nochmal kräftig mit sonnenschutzfaktor 50 einzuschmieren und andererseits weil ein konzert auf der john peel stage unser nächster programmpunkt war (diese bühne befand sich ja quasi neben unserem zelt). wir unterschätzten aber die popularität vom dort auftretenden „gerry cinnamon“ gewaltig: wir wussten, dass er viele menschen anziehen würde, wir wussten aber nicht in welchem ausmaß. als wir gemütlich zur bühne spazieren wollten, war es, als würde ein headliner auftreten. überall menschen, überall gerry-cinnamon-hardcore-fans!

irgendwie herrschte richtige volksfeststimmung, aber das war kein wunder: der schottische singer/songwriter gerry cinnamon ist ein superstar in seiner heimat, bzw generell in england. man muss sich nur sämtliche festivalauftritte auf youtube von ihm ansehen und über die unfassbaren menschenmengen einfach nur staunen. und da sind wir auch schon beim punkt: aufgrund der besucheranzahl war es unmöglich irgendetwas zu sehen – und so betrachtete ich das john peel stage zelt von draussen und lauschte den zahlreichen menschen beim fröhlichen mitgrölen, bis wir uns entschieden weiterzuziehen.

glasto__44
glasto__47

es zog uns mal wieder zur other stage, denn „maggie rogers“ sollte dort als nächstes auftreten. ich kannte einige songs, weil mein freund immer mal wieder ihre musik in meiner gegenwart hörte, aber auseinandergesetzt hatte ich mich mit ihr nie. als sie im weißen gewand und mit rotem seidenschal auf der bühne herumhüpfte, wurde mir bewusst, warum ich nicht so eine große begeisterung für sie hegen konnte, wie andere menschen: sie war einfach ein viel zu süßes und liebes mädchen, ohne ecken und kanten. versteht mich nicht falsch: ihre musik ist zauberhaft, aber auf der bühne ging sie unter und konnte nicht herausstechen, wie ich es mir gewünscht hätte.

glasto__48
glasto__46

wir bewegten uns nicht weiter, denn wir wollten auch das nächste konzert auf der other stage sehen. ich setzte mich auf den boden und verlor mich schließlich ein bisschen in meinen gedanken. immer wieder dachte ich mir, wie krass es eigentlich ist, dass alle anwesenden zur gleichen zeit vorm computer saßen und tickets gekauft haben (das festival war in 25 minuten ausverkauft!). welche beweggründe es für die einzelnen wohl gab? grenzenlose musikliebe oder eine never-ending-party? und wie wählten die menschen ihre teils sehr auffälligen outfits aus? und: wie kann man sich bei ärgster sonneninstrahlung glitzer ins gesicht schmieren, ohne sonnenbrand zu bekommen?

glasto6

ich wurde rausgerissen aus meinen gedanken, als es immer voller wurde. ich stand auf und staunte, wieviele menschen plötzlich anwesend waren. der grund war natürlich der neue superstar „lewis capaldi„, den offensichtlich alle sehen wollten. und nach wenigen nummern, verstand ich den hype um ihn: er beglückte uns nicht nur mit wunderhübschen liedern sondern auch mit einem sehr unterhaltsamen humor. er nahm sich selbst nicht ernst und erntete dadurch nur noch mehr sympathiepunkte. und natürlich war sein noel-gallagher-t-shirt und der beef mit selbigen ein kleines highlight für sich!

glasto__49
glasto__50
glasto__51

ich war ein bisschen im zwiespalt: sollte ich weiterhin bei der other stage bleiben und „johnny marr“ begutachten und danach das secret set der „foals“ auf der park stage anschauen, oder allein losziehen und mir „lizzo“ zu gemüte führen?

ich entschied mich alleine loszuziehen. mittlerweile hatte ich halbwegs orientierungssinn auf dem riesengelände und der treffpunkt für die wiedervereinigung wurde auch fixiert. da das handynetz die meiste zeit nicht verfügbar war, mussten wir uns das im vorhinein ausmachen. irgendwie war das spannend und irgendwie beängstigend, aber im notfall hätte ich nun endlich auch allein zum zelt zurückgefunden.

ich war früher als geplant bei der west holts stage, entdeckte endlich den festivalsupermarkt (dort konnte man wirklich alles fürs camping kaufen, und natürlich auch klopapier!) und suchte mir ganz vorne ein gutes plätzchen. auch hier war es ähnlich wie zuvor bei lewis capaldi, minütlich strömten mehr leute zur bühne und irgendwann war es so voll, dass ich mit meinem altbekannten problem zu kämpfen hatte: ich war zwar sehr weit vorne, aber dank viel zu großen menschen sah ich trotzdem nichts von der bühne. ich wollte ein paar lieder aushalten und dann weiter nach hinten gehen, das war der plan.

als „lizzo“ auf die bühne stürmte und mit „cuz i love you“ startete, durchströmte wohl alle anwesenden sowas wie ein blitzschlag: ihre stimme war eine wucht, ihr auftreten energievoll und überhaupt, es war als könnte niemand lizzo aufhalten. nachdem sie nach wenigen nummern ihren schleier-ähnlichen umhang zu boden fallen ließ, tänzerinnen auf die bühne huschten und mit ihrer performance begannen, war die supershow am nachmittag perfekt. lizzo is the next big thing! aber das wussten eigentlich eh schon alle.

glasto__52
glasto__55
glasto__54

zugegeben: ich blieb nicht das gesamte set über, zwischendurch genehmigte ich mir etwas zu essen und schlenderte dann zurück. zufälligerweise fand ich eine abkürzung zwischen west holts stage und other stage (5 minuten statt 15 minuten!) und war dann gerade rechtzeitig, um die schönsten hits von „johnny marr“ zu hören. es waren vergleichsweise wenig menschen anwesend, der wind hauchte über die wiese und marr sang abschließend „there is a light that never goes out“. ich atmete tief durch und war glücklich: ich begriff nun so richtig, dass ich gerade auf dem glastonbury festival war und eines der bedeutendsten lieder der musikgeschichte hörte.

glasto__56
glasto__57

ich überlegte ob ich noch kurz zu den „foals“ zur park stage schauen sollte, blieb aber dann doch bei der other stage. auf den boden setzen und ausruhen war mir gerade auch sehr recht. je mehr zeit aber verging, desto mehr sorgen machte ich mir: mein freund tauchte einfach nicht auf, unser treffpunkt wurde immer unübersichtlicher weil immer mehr menschen herumwuselten. aber ihn zu suchen wäre keine option gewesen (menschenauflauf deluxe!), ausharren war die einzige lösung. „sigrid“ begann mit ihrem auftritt, doch darauf konnte ich mich irgendwie nicht konzentrieren, ich wollte den treffpunkt die ganze zeit im blick haben (und beim treffpunkt stehen ging auch nicht, denn von dort konnte ich genau gar nichts von der bühne sehen). ich war ein bisschen ungeduldig und hibbelig. und dann, irgendwann, stand er da und erzählte mir von den unfassbar vielen menschen beim foals-konzert. ich war froh mir das nicht angetan zu haben, freute mich dass er wieder da war und suchte nun mit ihm gemeinsam ein plätzchen um die weitere show von „sigrid“ zu begutachten.

schön locker, flockig aber auch ein bisschen übermotiviert hüpfte sigrid von einem zum anderen bühnenende. sie wollte ein bisschen zwanghaft den auftritt ihres lebens haben, meistens machte das publikum aber nicht so mit, wie sie das wollte. ihre etwas verzweifelten „louder!“-schreie wurden in der zwischenzeit sogar ein bisschen berühmt auf youtube. wie auch immer – sigrid gab uns schöne, mitreissende pophits und setzte ihrem auftritt mit dem highlight „strangers“ die krone auf.

glasto__58
glasto__59
glasto__61

wir waren ein bisschen ratlos.. nach soviel nahtlosem programm war nun ein kleines loch in unserem persönlichen timetable. wir beschlossen das „geringste übel“ auszuwählen und spazierten zur park stage (sehr nahe und gute sicht dank hügel) um dort „kurt vile & the violators“ zu sehen. nach unfassbar viel tanzbarer musik war es eigentlich sehr angenehm bei kurt vile genau das gegenteil zu bekommen. sehr gemütlich ging es zur sache, das machte sich nicht nur in der musik bemerkbar sondern auch im gesicht von vile. die publikumsanzahl war genau richtig, das lichtdesign sehr schön – es war der perfekte gig um ein bisschen runter zu kommen.

glasto__63
glasto__62
glasto__70

ja, irgendwie hielten wir uns sehr oft bei der other stage auf. auch unser nächster weg führte dort hin – aber es war auch wirklich sehr komfortabel dort. an der bar bekam man schnell was zu trinken, die wasserstelle war auch gleich nebenan und das line up war sensationell. okay – die toiletten waren etwas weiter weg, aber dank der hitze schwitzten wir eh alles wieder raus. die nächste band die wir sehen wollten, waren die „courteeners„. mit einer präsenz, die mit jared leto und seinen 30 seconds to mars zu vergleichen ist, und einem wirklich schönen, soliden indie-rock-sound, schielten sie eigentlich richtung erfolgreiche karriere als stadion-rock-band. aber ihr slot war denkbar ungünstig: sehr viele menschen ihrer zielgruppe wanderten bereits zur pyramid stage und zum großen show-down mit den killers, und die courteeners blieben ein bisschen auf der strecke. immerhin taten sie das, als grad der schönste sonnenuntergang überhaupt stattfand.

glasto12
glasto__66
glasto__65

vor vielen jahren sagte mal ein freund zu mir, die beste band der welt seien „the killers“. so würde ich die gruppe zwar nicht betiteln, aber ich würde sie auf jeden fall als „die beste show- und entertainmentband“ bezeichnen. in der luft knisterte es, die vorfreude schwebte quasi richtig über unseren köpfen. ein paar große menschen versuchten noch andere plätze zu ergattern um mir sichttechnisch nicht im weg zu stehen und einige rauchten noch einen joint, weil während dem gig wohl keine zeit dafür sein würde.

ich war mittendrin in einer riesengroßen menschenmasse und wirklich bewusst wurde mir das, als „the killers“ auf der bühne erschienen. es gab kein halten, alle sangen mit und ich versuchte nicht umzufallen. ich sah nur noch die spitze der pyramid stage, weil alle großen menschen nun noch größer wurden, weil sie soviel hüpften. irgendwie war das nicht das angenehmste gefühl der welt, aber hey, the killers waren gerade auf der bühne, eine band wie eine karaoke-maschine, jeder konnte mitsingen!

ja – das konzert war toll. und ja, ich habe davon eigentlich nichts gesehen. immer wieder verrenkte ich meinen kopf um auf der videoleinwand zu erfahren, was gerade abging, aber das war leider nicht das gleiche. und trotzdem katapultierten die killers soviel gute laune ins publikum, dass es eben ein bisschen egal wurde, ob man sie jetzt sieht oder eben nur auf den rücken des vorderen menschens starrt. und: ab und zu tat sich dann doch ein kleines guckloch auf, ab und zu erkannte ich tatsächlich brandon flowers auf der bühne.

die absoluten highlights ereigneten sich natürlich im zugabenblock – plötzlich standen die pet shop boys auf der bühne und danach spielte johnny marr gitarre beim song mr. brightside. das war schon ein bisschen legendär – genauso wie die stimmung. noch nie hatte ich es erlebt, dass durchgehend mitgegrölt wurde, noch nie hatte ich so euphorische menschen bei einer indie-band gesehen. es war schon sehr speziell und ein schöner abschluss für unseren vorletzten festivaltag.

glasto__68
glasto__67

am nachhauseweg stolperten wir tatsächlich noch über „sean paul„, der auf der john peel stage gerade sein letztes lied präsentierte. wir waren ein bisschen angeheitert, mischten noch ein, zwei flaschen vodka orange und gingen dann noch zur arcadia stage, denn dort sorgte fatboy slim für tanz-tunes. allerdings nicht lange – mein freund bevorzugte dann doch irgendwann das bett, äh das zelt.

Diese Website benutzt Google Analytics. Bitte klicke hier wenn Du nicht möchtest dass Analytics Dein Surfverhalten mitverfolgt. Hier klicken um dich auszutragen.