ein superkurzes konzert, ein lauter nieser und extrem entspannte musiker: „s. carey“ bot gemeinsam mit seiner band an jenem abend alles, was man nicht erwartete.

es war sonntag, und es war nicht kalt aber auch nicht sonderlich warm draussen. wir saßen im gastgarten des chelseas, tranken spritzer und warteten. warteten darauf, bis endlich das konzert von „s. carey“ beginnen würde. s. carey wurde als drummer und unterstützender sänger bei bon iver bekannt. mein gedanke war: wenn ich schon nicht bon iver sehen kann (und dieser punkt auf meiner bucketlist wohl noch lange offen bleiben wird), dann schau ich mir immerhin einen musiker aus seiner band an. besser als nichts. meine erwartungen waren ehrlich gesagt niedrig, denn alles was ich im vorfeld gehört hatte, war nett, aber nicht unbedingt umwerfend.

carey begann mit seinem set einige minuten früher, als es der timetable sagte. geschwind versuchten wir uns den weg nach vorne zu bahnen. vorne war nämlich noch genügend platz oder besser gesagt, wir beschlagnahmten den respektabstand und füllten ihn mit unserer anwesenheit. ich stand direkt vor s. carey, als er auf seinem keyboard die ersten songs spielte. vorgestellt hatte ich ihn mir viel verkopfter, viel intellektueller, viel mehr in-sich-gekehrter. aber er war ganz anders: mit basecap und vans-schuhen wirkte er wie der nette junge von nebenan und nicht wie ein introvertiertes musikgenie.

schon beim dritten song „yellowstone“ war klar, dass diese ausgestrahlte lockerheit sehr zum vorteil bei der performance war: die sphärische musik brauchte diesen bruch. das groß-klingende brauchte die einfachheit in der darstellung. was ich ausserdem sehr bei dieser live-performance begrüsste: dieses volle, starke beatgerüst, das in aufgenommener form nie so ausgeprägt zu hören war, erzeugte noch viel mehr tiefe, und nahm einen noch viel mehr mit auf eine gedankliche reise. apropos reise: sean carey (ja, das s. bedeutet sean) verstand es ausgesprochen gut, ein reise-szenario in den kopf zu zaubern. ständig stellte ich mir vor mit dem zug vorbei an wunderschönen landschaften zu fahren, immer mit dem gleichbleibenden rattern im hintergrund, und immer mit dem unendlichen blick in die ferne. es war wie eine massage für’s gehirn.

nach einigen nummern an keyboard wechselte carey ans schlagzeug und sang von dort aus. das brachte ein bisschen wind in die sache. schließlich kam er aber bald wieder zurück ans tasteninstrument um ein besonders ausuferndes, eindringliches stück zu präsentieren als plötzlich… ja als plötzlich sein bandkollege hinter ihm wirklich lautstark niesen musste. das lachen konnte sich carey nicht verkneifen, es war schon eine sehr seltsame aber auch witzige situation.

für die tatsache, dass s. carey im rahmen seines dritten album-releases „hundred acres“ im chelsea aufspielte und eigentlich weit mehr repertoire hätte, war das set extrem kurz. nach 45 minuten, inklusive einem tom-waits-cover als zugabe, war der zauber vorbei. und ich war aber gerade erst dabei, richtig warum zu werden mit der musik, richtig aufzublühen, richtig zu versinken in den tönen. schade. ich hätte locker noch eine stunde vertragen können. aber wie sagt man? aufhören wenn es am schönsten ist. s. carey war auf jeden fall eine sehr positive überraschung, und gar nicht so langweilig wie ich befürchtet hatte. schau ich mir gerne wieder an, vielleicht nächstes mal mit bon iver im gepäck (wegen der bucketlist wär’s)?

S. Carey, 2019
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