lokale schließen, bei kultur soll dank der politik eingespart werden und steht immer weniger zur verfügung: dürfen wir kultur bald nur noch über bildschirme konsumieren? sollen wir zuhause bleiben weil vor allem am land immer weniger kulturelles angebot zur verfügung steht?
ich kann mich noch ganz genau erinnern: zu den anfangszeiten meiner immer größer werdenden konzertliebe war es als heranwachsende in niederösterreich „mitten in der pampa“, an der grenze zu oberösterreich, nicht leicht zu veranstaltungen zu kommen. die großen, interessanten sachen spielten sich immer in den größeren städten ab: in linz und in wien. aber wenn man noch kein auto hatte und die eltern einen nicht stundenlang herumchauffieren wollten, dann musste man eines machen: zuhause bleiben, schmollen, sich ärgern, glauben man hat etwas verpasst.
vielleicht hatte man auch etwas verpasst, aber es gab grandiose alternativen: die lokalen veranstalter, die, die in der näheren umgebung waren, die, die sich bemühten auch die kleinen konzerte ganz besonders zu machen. und so waren gigs im bertholdsaal in weyer, im röda in steyr, in der spinnerei in traun, oder in all den kleinen lokalen in linz, manchmal meine „lebensretter“, wenn ich nicht zu einer großen show nach wien konnte (sei es wegen fehlender transport- oder geldmittel). mir war damals schon klar: kultur ist wichtig – nicht nur für jugendliche, die sonst nichts mit ihrer zeit anzufangen wissen. kultur war auch wichtig um leute kennen zu lernen, sich zu treffen, um abwechslung zu erleben, um neues zu erfahren.
vemehrt hört man in den letzten jahren, dass lokale schließen, dass bei kultur eingespart werden muss, dass kleine veranstalter kaum noch überleben können. so schloss im oktober 2016 das wunderbare „burnside“ in der linzer altstadt und markiert damit nur eine der vielen institutionen, ohne die früher konzertkultur nicht gelebt werden hätte können. gerade oberösterreich erlebt seit jüngster zeit dank veränderter politik-spitze, dass „kultur“, seien es konzerte, theater oder museen, nichts mehr wert ist. dabei ist kultur viel mehr als luxus oder zeitvertreib, kultur ist wirtschafts- und tourismusfaktor, arbeitgeber, ein werkzeug zur regionalentwicklung, sozial von enormer bedeutung und auch ein anstoß um sich kritisch mit etwas auseinander zusetzen.
wollen wir das wirklich aufgeben und nur noch zuhause vorm bildschirm versauern und uns wundern, warum wir immer weniger zu sozialen interaktionen fähig sind, immer weniger hinterfragen, immer weniger erleben, immer weniger „coole“ jobs im „irgendwas mit kultur“-bereich ergattern?
aktuelle initiativen in oberösterreich
die initiative „rettet das kulturland oö“ ruft deswegen seit einiger zeit zu einer petition auf, die jeder unterschreiben sollte. aber auch der trägerverein bertholdsaal bittet seit den sommermonaten um unterstützung: die gefahr den beliebten bertholdsaal abzureissen steht unmittelbar bevor, durch crowdfunding will der verein samt seinen unterstützern das ruder nochmal herumreissen, eine sanierung starten und einen wichtigen kulturstandort in oberösterreich retten und sichern.
in einem kleinen interview mit hannes merkinger vom kulturverein frikulum, durfte ich ausserdem noch mehr hintergründe erfahren, warum man gerade diese kleinen organisationen unterstützen sollte.
hi hannes, erzähl mal kurz: wie lange bist du beim kulturverein frikulum und was ist deine aufgabe dort?
beim kv frikulum bin ich mittlerweile seit 2006 aktiv und seit 4 Jahren als kassier tätig.
ihr veranstaltet überwiegend im bertholdsaal in weyer. wieviele veranstaltungen organisiert ihr denn so jährlich?
durchschnittlich organisieren wir ca. 20 veranstaltungen pro jahr die, wie bereits gesagt, hauptsächlich im bertholdsaal stattfinden. insgesamt fanden in den letzten 20 jahren ca. 300 veranstaltungen mit rund 20.000 besuchern im bhs statt. veranstaltet werden nicht nur konzerte mit regionalen, nationalen und internationalen bands (zB voodoo jürgens, bilderbuch, wanda), sondern auch dj lines und elektronische musik, kino- und filmabende, workshops, vorträge und lesungen, sportveranstaltungen, performances und theater sowie theatereigenproduktionen.
der bertholdsaal war ursprünglich ein theatersaal und besteht seit über 100 jahren, nun soll er abgerissen werden, falls kein kaufangebot eintrifft. wie habt ihr davon erfahren und war es für euch gleich klar, dass ihr den saal in irgendeiner weise kaufen wollt?
der bertholdsaal und das umliegende grundstück befinden sich im eigentum der pfarrgemeinde weyer. am 20. april hat die pfarre dem trägerverein bertholdsaal den kauf des grundstücks angeboten. zu diesem Zeitpunkt gab es bereits einen mitbewerber, der den abriss des saales und einen neubau für seine zwecke plante. nachdem wir den ersten schock über die doch sehr überraschende nachricht verdaut hatten, war für uns von anfang an klar, dass wir diese einmalige chance des kaufes nutzen müssen.
was würde es für dich und den gesamten verein bedeuten, wenn es diesen kulturraum nicht mehr geben würde?
für mich persönlich wäre es natürlich ein riesen verlust. nach all den erlebnissen und den freundschaften, die es ohne den Saal vermutlich nicht gäbe, kann man sich ein leben ohne dem bertholdsaal gar nicht mehr vorstellen. selbiges gilt natürlich für den kv frikulum ebenso. abgesehen davon, dass wir den großteil unserer veranstaltungen im bhs durchführen, ist dieser auch die zentrale homebase für sitzungen und treffen aller Art.
und was glaubst du, würde es für die gesamte region bedeuten, auf den bertholdsaal und somit auf die dort stattfindende kultur verzichten zu müssen? es gibt ja so gut wie keine „kultur-alternativen“, oder?
die alternativen für die freie kulturszene in unserer region sind sehr überschaubar. gäbe es da nicht noch die schlosserei, ein kleiner aber äußerst feiner club mit super bands, die in unregelmäßigen abständen veranstalten, würde es in der weyrer umgebung ziemlich finster ausschauen. die nächst gelegene vergleichbare kulturiniative wäre dann das roeda im 45km entfernten steyr. abgesehen vom kulturellen angebot kommt noch hinzu, dass der bertholdsaal auch über zwei proberäume verfügt die ideal, da sehr kostengünstig, für junge bands sind.
und zum schluss: warum sollte man euer crowdfunding unterstützen? warum ist kultur und ein verfügbarer kulturraum deiner meinung nach so wichtig?
der trägerverein bertholdsaal ist in seinem handeln seit 1997 non-profit und das soll auch in zukunft so bleiben. wir wollen keinen profit aus der sache schlagen, sondern der kulturellen vielfalt auch in den nächsten jahrzehnten einen raum für die verschiedensten entfaltungsmöglichkeiten geben.
also nochmal zum mitschreiben: unter dem link https://www.startnext.com/bertholdsaal kann man noch bis 12.11.2017 das crowdfunding für den bertholdsaal unterstützen und unter dem link https://kulturlandretten.at/ darf man eine petition für die erhaltung der kultur in oberösterreich unterzeichnen.
vergesst nicht: kultur ist wichtig, für alle generationen, für alle sozialen schichten, für alle menschen, als treffpunkt und austausch, als wirtschafts- sowie tourismusfaktor, als arbeitgeber und als anstoß zum denken und zur kritischen auseinandersetzung!