es war wie verhext: ich schaffte es einfach nicht schon vor 10 uhr vormitag das haus zu verlassen, aber schlaf muss halt auch mal sein, vor allem wenn man erst gegen 4 uhr früh einschlummert. egal – den wichtigsten panel-programmpunkt schaffte ich nämlich mit dem titel „medienkrise 4.0“ – und hier erlebte ich wahrscheinlich den besten moderator, den ich jemals bei einem panel gesehen habe: jan hendrick becker vom ndr. soviel wissen, so gut vorbereitet, so gut den bogen gespannt und immer wieder zu den hauptfragen zurückgekehrt – ich war mehr als beeindruckt. danach machte ich mich auf zu einem anderen panel, das aber eher langweilig war.
zum glück meldete sich mein festivalbuddy wieder, der mich aus der fadesse befreite. wir schlenderten mal wieder zum molotow um einen showcase-auftritt von „izzy bizu“ zu sehen. schon von mehreren leuten hatte ich gehört, dass man sie auf keinen fall verpassen sollte und deswegen watschelten wir auch dorthin. in der molotow skybar angekommen, erreichte uns erst mal ein hitzeschwall – so heiss und stickig war es in der location. aber wenn man gute musik sehen und hören will muss man eben opfer bringen.
die künstlerin zog nicht nur wegen ihrer lockenpracht alle blicke auf sich, sondern auch wegen ihrem kräftigen stimmorgan. sie sang mit ganz viel soul und trotz der power in ihrer stimme klang das ganze auch gleichzeitig unglaublich zart. ihre beiden musiker ummalten lediglich ihren gesang und sorgten für reduzierten hintergrundsound mittels cajon und gitarre bzw einem keyboard. viel zu schnell war der auftritt leider wieder vorbei, aber eines war sicher: von izzy bizu wird man definitiv noch hören!
nach diesem ersten musikalischen höhepunkt war ich wieder etwas ratlos. was sollte als nächstes folgen? ein panel oder ein konzert? da mich „view“, die zu dieser zeit gerade beim reeperbus rappten, nicht so wirklich überzeugten, zog ich weiter und zwar in das lokal ‚alte liebe‘. dort gab es eine diskussion über die „hip hop lügenpresse“ oder besser gesagt: es wurde über ein fler-interview gestritten – beinahe eine volle stunde lang. wie auch immer: die herrschaften kamen immer wieder vom thema ab und ich musste teilweise schon sehr schmunzeln, wie sich erwachsene menschen über nichtigkeiten eigentlich aufregen können.
egal. irgendwann war das kasperltheater vorbei und ich hatte mir bereits meinen nächsten programmpunkt überlegt, nämlich endlich ‚ray’s reeperbahn revue‘ zu sehen. über tausend ecken hab ich mitbekommen, dass die tägliche, einstündige show eines der highlights sein soll während dem reeperbahn festival. deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass einem geraten wurde, sich bereits eine halbe stunde vorher beim schmidt theater anzustellen. gesagt, getan. als erste betrat ich den saal, der nach wenigen minuten komplett voll war und dann ging es auch schon los.
„ray’s reeperbahn revue“, was kann man sich darunter vorstellen? nun, man kennt diese amerikanischen late night shows, so ähnlich war auch diese aufführung. eine live-show, mit 3-4 musikalischen acts, die jeweils 2-3 songs in reduzierter form spielen durften und dann auch noch zum kurzen interview aufs sofa gebeten wurden. wer den ehemaligen mtv-moderator ray cokes kennt, weiß, dass dieser lustige mensch allein es schon wert war, diese show zu besuchen.
für mich persönlich war es aber deswegen ein hervorragendes timing die revue zu besuchen, weil ich die festivalslots der gäste „the boxer rebellion“, „palace winter“ und „july talks“ ohnehin aufgrund von termin-kollisionen verpasst hätte. so hatte ich diese gruppen kompakt in einer stunde und konnte mir ein bild machen. es war einfach perfekt! alle bands haben mir extrem gute gefallen – ob es wegen dem musikalischen können war oder weil das alles so wunderbar in diese show eingebettet war.. ich kann es nicht beantworten. aber als ich nach gut einer stunde das theater wieder verlassen hatte, war ich froh dabei gewesen zu sein und mein kopf sprühte nur so vor show-format-ideen.
irgendwann war es 19:30 uhr und ich machte mich auf den weg zur grossen freiheit 36. endlich mal „von wegen lisbeth“ sehen und eine neue location entdecken. aber zunächst musste ich mal schockierend feststellen: da war eine fast kilometerlange schlange vor der venue! ich muss dazu sagen, ich hatte das glück mit meinem delegates-pass einen gesonderten eingang benutzen zu können, aber die armen menschen die da anstehen mussten, taten mir schon ein bisschen leid. denn diese strasse, die grosse freiheit, ist nicht wirklich der angenehmste ort um auf einen einlass zu warten. aber jeder waterei hat natürlich auch ein ende.
ich fand mich in der ersten reihe wieder und „von wegen lisbeth“ starteten ihre show. ich weiß nicht was ich erwartet hatte, aber bei den ersten nummern dachte ich mir nur: hm, könnten auch annenmaykantereit sein, rein allein vom auftreten und ihrer wirkung her. sie schafften es, die voll gesteckte grosse freiheit 36 schon zu beginn so derart zum kochen zu bringen, als wären sie schon ewig im business. ich fragte immer wieder menschen um mich herum wieviel fassungsvermögen die location denn hat, aber das konnte mir keiner so genau antworten. waren es 1000 leute, waren es 2000 leute? es waren auf jeden fall sehr viele!
ich brauchte eine pause und verzog mich auf den balkon – von dort hatte man nämlich auch beste sicht aber etwas mehr bewegungsfreiheit. von wegen lisbeth gaben in der zwischenzeit alles und ich war wirklich sehr angetan von ihrer scheinbar unerschöpflichen energie. musikalisch top, gesanglich top, interaktion top. ich hatte nichts auszusetzen. und als dann als letzter song „meine kneipe“ erklang, konnte ich sogar ein paar zeilen mitsingen. schöner gig!
nach „von wegen lisbeth“ war ich mal wieder ein bisschen planlos. ich machte einen kurzen abstecher ins grünspan und ins indra, um die locations mal gesehen zu haben. danach stellte ich mich wieder vor die grosse freiheit 36, plauderte mit der netten security-dame und überlegte, was ich mir denn als nächstes anschauen sollte. zurück zum spielbudenplatz? oder doch da bleiben und „maeckes“ begutachten? nach langen hin und her beschloss ich dann dem maeckes eine chance zu geben.
und das war eine gute entscheidung! er erinnerte mich vom aussehen her an matthias schweighöfer, von seiner rap-kompetenz an gerard und von der energie her an casper. eine gute mischung würde ich sagen. nur, was ihn wirklich absolut unique machte, war sein tanzstil. ich hatte zuvor noch nie jemanden so springen gesehen – seine bewegungen waren nämlich eher eckig als rund. muss man auf jeden fall mal gesehen haben um das zu verstehen.
was ich ausserdem sensationell fand: die performance eines seiner bandmitglieder. der typ mit fischerhut hatte nämlich ein kinder-keyboard mit tiergeräuschen, welches er in einem song auf grandiose weise einbaute und auch noch bei der bedienung dessen vollen körpereinsatz zeigte. ich war schon ein bisschen hin und weg.
nach diesem tollen konzert von „maeckes“ stürmte ich wie von der tarantel gestochen richtung spielbudenplatz, richtung docks! denn ich musste ja „biffy clyro“ sehen, deren gig erst am tag davor angekündigt wurde. ich war viel zu früh dort, wartete eine halbe ewigkeit, aber ich wollte einfach den besten platz ergattern um die show der schotten genießen zu können.
mit den obligatorischen nackten oberkörpern stürmten die herren auf die bühne, zeigten mit nachdruck, dass sie nun da waren und legten mit ihrer musik alles in schutt und asche. dass so manch gesangspart nicht ganz durchs mikro und folgedessen auch nicht durch die boxen in die ohren der besucher gelang, war manchmal nachzuvollziehen, manchmal aber auch nicht. frontmann simon wirkte müde und ausgepowert, sprach nicht viel sondern verbrachte seinen bühnenaufenthalt eher damit, seinem typischen hüftschwung zu perfektionieren – und: sein gesicht zu verziehen und teilweise auch ein bisschen psychopathisch zu schauen.
hits wie „biblical“, „bubbles“, „black chandelier“ und „that golden rule“ waren stimmungsmacher, die neueren sachen dämpften eher. überhaupt war die setlist manchmal etwas komisch aufgebaut, nach dem schönen „machines“ folgte ein überkracher – dieser stilbruch aus komplett-langsam zu komplett-wild war für einige besucher zu hart. manche verließen die vorderen reihen um nicht wieder schockartig aus dem romantischen mood rauskatapultiert zu werden.
gegen ende mischte sich wieder großartiges mit weniger großartigem – ein auf und ab und leider nur selten ein wirklich schöner spannungsbogen. biffy fucking clyro, wo ist der spirit von vor 2-3 jahren hingekommen? auch wenn „the captain“ als vorletzter song fantastisch war und nach der lautstarken zugabe-forderung mit einem schönen abschließenden „stingin belle“ geantwortet wurde, so ging ich trotzdem ein bisschen mit verwunderung aus der konzert-venue. ich machte mir ein bisschen sorgen um die band – so weit weg und irgendwie abwesend hatte ich sie noch nie erlebt. hoffentlich legt sich das wieder und hoffentlich lag es nur an der späten auftrittszeit.
schlussendlich machte ich mich auf den nachhauseweg mit der gewissheit mal wieder viel gutes an diesem tag gesehen zu haben und mit der vorfreude, am nächsten tag etwas länger schlafen zu können, weil ich nichts besonderes sehen „musste“.