der feiertag, der dummerweise auf einen samstag fiel, war der tag, an dem sich eine große menge an menschen im fluc einfand. die gründe dafür standen auf der bühne und nannten sich „bis eine heult“ und „a life a song a cigarette“.

ich habe den oberen teil des flucs eigentlich immer als leeren konzertraum erlebt. seit einigen monaten ist das nicht mehr so. meine letzten assoziationen schreien immer „hilfe, soviele menschen! soviele menschen passen da ja gar nicht rein!“. auch an diesem abend war es wieder richtig, richtig voll. so voll, dass ich irgendwann beschloss, dass ich wohl lieber verdurste als 3 stunden bei der bar anzustehen um einen eistee zu kaufen.

ich traf zufällig eine freundin und platzierte mich neben ihr an vorderster front, lechzend auf ihr bargetränk. auch ich werde irgendwann noch diese gaumenfreude erleben, redete ich mir ein und fokussierte mich auf die bühne. dort waren die beiden damen und der herr von „bis eine heult“ gerade dabei, sich auf ihren auftritt vorzubereiten. meine komplette aufmerksamkeit hatte währenddessen das dottergelbe oberteil der sängerin verena dürr – seltsamerweise musste ich da an wohlig warme abende beim kachelofen mit tee und geschichten der großeltern denken. es ist dieses dottergelb, das ich aufgrund blonder haare nicht tragen kann, es ist dieses dottergelb, das ich gern mehr in meinem leben hätte. vielleicht war es deswegen so besonders. vielleicht wirkte auch deswegen verena dürr wie eine endlich gefundene kindheitserinnerung auf mich. naja egal.

zugegeben, ich malte mir bereits aus, wie der auftritt werden könnte: freche, selbstbewusste damen a la schnipo schranke oder wir sind helden die mit ebensolchen texten einen in null-komma-nichts in einen extrem-feminist verwandeln würden. und zugegeben, so war es auch ein bisschen, nur war es eben noch viel mehr! „spoken word“ war das geheimnis. gleich zu beginn glänzte das trio nicht nur mit schöner musik sondern auch mit halb gesprochen, halb gesungenen wörtern. mein kreativitäts-alarm ging los, spoken word im konzert-kontext war mir neu, aber es fügte sich so gut zusammen.

irgendwo habe ich gelesen, dass die beiden, also verena dürr und ulla rauter, „poesie pop“ machen und nicht selten musste ich an hildegard knef denken. diese gewählte sprache, in einstimmiger und zweistimmiger ausführung, das schöne, bedachte und trotzdem leicht zer/ver-störte, abgefuckte auftreten der damen imponierte mir. die instrumentierung dazu war dann noch die draufgabe: wer braucht schon drums, wenn man den beat auf ein effekt-gerät programmieren kann? dass das auch mal schief ging und der einsatz nicht ganz passte, machte den diy-spirit nur noch authentischer. das dritte rad am wagen, der hahn im korb, der, der eigentlich noch niedergeschlagen wirkte wegen einer gerade überstandenen erkrankung, war klemens am saiteninstrument. er erdete die damen und zügelete sie mit seiner bloßen anwesenheit.

gegen ende wurden gemeinsam mit dem publikum schriftstellerinnen aufgezählt und ein „frauen an die macht“-gefühl legte sich ins fluc, während ich mir endlich einen platz an der bar erkämpft hatte und endlich meinen eistee in empfang nehmen konnte. an die macht, an die bar… hauptsache vorne dabei. und am schluss fühlte ich mich nicht nur als weibliches lebewesen bestärkt sondern war auch ein bisschen in diesen sogenannten „poesie pop“ verliebt, einfach der schönheit wegen. und vielleicht auch wegen der gemütlichen ausstrahlung des dottergelben kleidungsstückes.

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ja, okay ich muss noch etwas zugeben: ich wollte eigentlich nach „bis eine heult“ nachhause gehen. ich war müde und erschöpft wegen einigen änderungen in meinem leben und sehnte mich nach mindestens 12 stunden schlaf. aber okay, ein oder zwei lieder könnte ich mir anschauen, das würde ich noch schaffen. ich ließ mich überreden zu bleiben. und als herr stanzel dann mit seiner gruppe die bühne betrat, war es wie ein ausflug in die vergangenheit, wie wenn man alte freunde nach 10 jahren wieder sieht und man sich sofort wieder in deren anwesenheit wohl fühlt.

nachhause gehen war keine option mehr, ich hatte keine andere wahl als zu bleiben. die songs von „a life a song a cigarette“ fesselten mich endlich wieder wie zu früheren zeiten, endlich wirkten sie wieder wie das wohl behütete geheimnis und nicht wie von der marketing-maschine getrieben. die sechsköpfige indie-folk-band hatte sichtlich spass am gemeinsamen musizieren und diese freude, unbeschwertheit und zufriedenheit übertrug sich in windeseile aufs publikum.

trotz erkältung kämpfte sich sänger stephan stanzel durch das set, wirkte gelassen und entspannt und schaffte den bogen zwischen tragik und komik. die ganze bandbreite wurde geboten, lukas lauermann am cello umschlängelte sein instrument fast, was wunderbar zum zuschauen war. die energie war spürbar, auf der bühne sowie in der menschenmenge. es brodelte. a life a song a cigarette zeigen wieder dieses lebensgefühl auf, das in der social-media-welt längst zu grabe getragen wurde. im realen leben ist euphorie nicht nur ein wort. im realen leben ist musik nicht nur eine datei oder eine tonspur. im realen leben ist ein konzert ein gefühlsbasierter drogencocktail, den man sonst nirgends bekommt. zum glück bin ich bis zum ende geblieben, habe mir die dröhnung gegeben und bin später glücklichst zuhause schlafen gegangen.

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A Life A Song A Cigarette, Lukas Lauermann, 2018
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