the jesus and mary chain gastierten im rahmen ihrer „damage and joy“-tour in der ottakringer brauerei. was sich zunächst unwürdig anfühlte, machte am ende des gigs durchaus sinn: die halle in der brauerei war, abseits der temperatur, für das besondere garagen-konzert-feeling zuständig und bescherte einem reihenweise schöne momente.

es gibt wenig bis gar keine menschen, die die ottakringer brauerei als konzertlocation wirklich mögen. aber wenn man eine band wirklich sehen will, dann nimmt man es in kauf, dass dieser ort verwinkelt ist, immer sauna-temperaturen entwickelt und sound-technisch auf unterstem niveau hervor sticht (vor allem wenn man irgendwo seitlich steht und dann auch noch einen pfeiler als sichtbehinderung oben drauf bekommt).

wie auch immer: „ausverkauft“ meldete die facebook-benachrichtigung am selben tag. gut für die veranstalter, schlecht für konzertgenießer, ein schlachtplan musste her. wann hingehen, wann heimgehen, was abgeben, wie alles timen ohne in einer masse an menschen unterzugehen? tatsächlich entschied ich mich bereits richtig richtig früh vor ort zu sein, nicht nur um die vorband „cold cave“ zu sehen, nein vor allem um nicht an der garderobe oder an der bar ewigkeiten zu warten.

es war eine gute entscheidung schon zeitig da zu sein: locker-flockig konnte ich mir die support-band „cold cave“ zu gemüte führen, assoziationen zu the cure und den white lies entwickeln, den in-sich-gekehrten new wave mit dem auffälligen synth-sound richtig inhalieren und die von hinten beleuchtete, eingenebelte band begutachten. dazwischen hieß es freunde treffen, plaudern und die bar/den merchandise-stand belagern (ich war knapp davor die cold-cave-tasche mit der aufschrift „people are poison“ zu kaufen).

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als die show von „the jesus and mary chain“ aus schottland kurz vor halb 10 startete, machte sich erleichterung breit: endlich konnte man sich auf etwas anderes, als die unsägliche hitze, konzentrieren. mit „amputation“ wurde ausserdem was aktuelles, bekanntes für den anfang gewählt und sofort stellte sich kollektives wohlfühlen ein. meinen recherchen zufolge, waren the jesus and mary chain früher die wildesten der wilden, mittlerweile schien aber jede bösartigkeit von früher dem liebevollen opa-dasein gewichen zu sein. ja, sie waren nette, alte männer geworden, die friedlich dahin rockten, posen in petto hatten und ein homogenes set aus alt und neu raussprudelten. das vorteilhafte licht von hinten ließ die gesichter dunkel erscheinen und erschwerte alterseinschätzungen, die bewegungen strahlten aber eher gemütlichkeit aus als etwas beweisen zu wollen.

der viel erhoffte und immer erwartete funke sprang bereits im ersten drittel über. „i think i’m gonna be fine, i’m happy all the time“ sang frontmann jim reid in „mood rider“ und übertrug dies sofort auf das zahlreich anwesende publikum. ziemlich früh trat auch das kollektive kopfnicken und das verlieren im sound ein – scheinbar unkontrolliert und unbewusst ließen sich viele von der melodiösen punk-wave-noise-musik tragen. der raum dampfte und es fühlte sich an wie eine brodelnde suppe aus „wie cool wäre es gewesen dabei zu sein, bei den exzessiven kurzen gigs früher“ und „schön, dass es sie wieder gibt, wenn auch nur in abgeschwächter form“.

frühere hits flackerten auf, jim meinte „i want you to sing“ und das ließ sich die menschenmenge nicht zweimal sagen. viel sprach er ja nicht, und wenn, dann waren es nur ganz kurze sätze. ruhigere töne wurde angeschlagen, ein „i hope we come back“ wurde vom herrn an den vocals gemurmelt, ehe der vermeintlich letzte song „reverence“ angestimmt wurde. natürlich bedeutet letzter song niemals letzter song, mit der ersten zugabe „just like honey“ machte alles plötzlich sinn. der gig fühlte sich an wie ein garagen-konzert einer mega guten underground-band, und wir, wir waren alle dabei. in dieser schäbigen halle in der ottakringer brauerei, die das garagen-flair bestens simulierte.

die letzten fünf nummern waren dann nur noch die draufgabe und eine chance zu versuchen, das entstandene wow-gefühl nochmal ausgiebig zu genießen und zu konservieren (wenn das in irgendeiner form möglich ist). es tropfte mittlerweile von der decke, so warm war es geworden und beim letzten, ausklingenden gitarrenchord der nummer „i hate rock’n’roll“ rettete ich mich dann zur garderobe und nach draussen an die frische luft.

völlig unbewusst haben the jesus and mary chain einen mitgenommen, auf eine abwechslungsreiche musikalische reise zwischen vergangenheit und zukunft der lauten und doch angepassten gitarrenmusik. und völlig unbewusst haben sie auch wohl alle vereinnahmt, alle überzeugt, und alle unglaublich glücklich nachhause gehen lassen.

The Jesus and Mary Chain Setlist Ottakringer Brauerei, Vienna, Austria 2017, Damage and Joy

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The Jesus and Mary Chain, 2017

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