ein bisschen exzess, etwas laszives tanzen und trockene, reibende gitarrenriffs: „selig“ bespielten in alter rock’n’roll-manier im rahmen ihrer „kashmir karma“-tour das gut gefüllte wiener flex.

letztens schnappte ich irgendwo folgenden satz auf: „urteile nicht über das aussehen von anderen menschen, schließlich hättest auch du hässliche eltern haben können“. genauso wie das aussehen kann man sich auch die körpergröße nicht aussuchen. als ich am dienstag abend das flex betrat, war ich gefühlt das kleinste lebewesen in dem abgefuckten club am donaukanal. überdimensional große männer belagerten die erste reihe und ich musste schnaufen: wie sollte ich es anstellen über diese herren drüber zu sehen? ich beschwerte mich aber nicht über deren oder meine körpergröße, wir konnten ja schließlich alle nichts dafür.

neben dem hässliche-eltern-spruch erinnerte ich mich auch an mein mantra, welches ich mir zwecks einem zufriedeneren leben seit einiger zeit immer wieder vorsage: „wenn ich etwas möchte, muss ich es laut aussprechen“. also stupste ich den riesen vor mir an und fragte höflich, ob ich für einige nummern in die erste reihe dürfte, er würde ohnehin leicht über mich drübersehen und ich könnte meine arbeit als fotografin ausführen. warum ich da eigentlich nicht früher draufgekommen bin? keine ahnung. der riese ging zur seite und ich hatte freie sicht auf das bühnengeschehen, welches just in dem moment startete.

sänger jan plewka und seine drei kompanen ließen von beginn an nichts anbrennen: gleich aus voller inbrunst wurde gesungen und musiziert, lasziv getanzt und das publikum regelrecht mitgerissen. behilflich war da auch der klassiker „ist es wichtig?“, der als dritter song hinauskatapultiert wurde und chöre aus der menschenmenge nach sich zog.

was die menschenmenge neben chorgesang noch beherbergte: bereits stark alkoholisierte und aggressive zeitgenossen. während der sänger mit hut auf der bühne das friedliche beisammen sein in diesem club lobte, wurde ich von jenem „beschwipsten“ typen, der gerade am weg nach ganz vorne war, mit voller wucht zur seite gestoßen. was für ein widerspruch! ich brachte mich in sicherheit, nach ganz hinten, und versuchte von dort das konzert weiter zu verfolgen. und wieder war es meine körpergröße, die mir nur viele rückenansichten bot. der song „schau, schau“ ertönte, und ich fühlte mich vom universum leicht gefrotzelt. manchmal hasse ich es, klein zu sein.

„heiß hier!“ meinte plewka und ließ der ansage taten folgen: oberkörperfrei performte er das lied „dj“ und ich, ich versuchte nochmal seitlich nach vorne zu kommen um mir „das“ genauer anzusehen. neben halbnackten tanzeinlagen waren es auch die krachigen, langgezogen, rock-geschwängerten gitarrensoli während der nummer „high“, die mich endlich mal richtig mitrissen. aber: nach jedem höhepunkt kommt auch wieder eine down-phase: „unterwegs“, „lebenselexier“ und „feuer und wasser“ ließen mich eher kalt. die aufmerksamkeit kam erst wieder mit der obligatorischen bandvorstellung und eines meiner liebsten lieder: „von ewigkeit zu ewigkeit“.

für das darauffolgende „wintertag“ wollte jan plewka assoziationen vom publikum hören, warf selber dann aber eine sehr witzige geschichte rund um stoned sein und zugefrorene wasserleitungen in schweden ein, die ihm kollektives mitleid einbrachte. mit „wir werden uns wiedersehen“ folgte auch schon das fast letzte lied. insgesamt drei zugabenteile hatten die herren vorbereitet, wobei der erste mein liebster war: das grandiose „sie hat geschrien“, gefolgt von „wenn ich wollte“ und schließlich das überromantische, kitschige und trotzdem so wundervolle „ohne dich“ waren der inhalt. natürlich durfte, passend zur tour, auch der titelgeber „kashmir karma“ im zweiten teil nicht fehlen. beendet wurde der abend mit dem ganz ruhigen „regenbogenleicht“.

ehrlich gesagt: ich muss mich an das neue songmaterial noch sehr gewöhnen. die alten klassiker, die markante stimme und das quirlige und trotzdem standhafte auftreten der band bescherten mir aber trotzdem einen schönen abend, selbst wenn ich dank meiner körpergröße nur die hälfte vom konzert sehen konnte. solange meine lieblingssongs (stichwort: erster zugabenteil) in die setlist finden, ist alles gut.

Selig, 2017
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