erwarte das unerwartete: „martin klein“ gestaltet seine klavierkonzerte stets spontan. wie man in die nacht entlassen wird, ist immer eine überraschung. auch bei seinem auftritt im theater an der gumpendorfer straße war es eine wilde achterbahnfahrt seiner gedanken, worte und lieder.

nach wochen, die ich mehr oder weniger durchgearbeitet habe und nur zum schlafen nachhause gekommen war, wartete ich sehnsuchtsvoll auf einen abend nur für mich. einen abend, an dem ich mit niemanden sprechen muss und einfach nur zuhören kann, einen abend an dem nichts von mir erwartet wird. ich wollte mir an jenem samstag schon einen film im internet suchen und das konzert von martin klein verdrängen, aber dann, drei stunden vor konzertbeginn kaufte ich mir doch noch eine karte über den online-shop. klavierklänge wirken immer so unglaublich beruhigend auf mich, kein film der welt könnte diese wirkung erzielen.

es war kalt und es regnete und rausgehen war das letzte worauf ich lust hatte. aber um zum theater an der gumpendorfer straße zu gelangen blieb mir nichts anderes übrig. dick eingepackt machte ich mich auf den weg und war überpünktlich vor ort. erst wenige minuten vor 20 uhr wurde der theatersaal geöffnet und die schlacht um die freie platzwahl begann. wenn man innerhalb weniger sekunden entscheiden muss, wo man sitzen möchte, stellt das immer eine völlige überforderung dar. was, wenn ein riese vor mir sitzt und ich dann nichts vom konzert sehe? ich entschied mich für einen rand-platz gleich neben dem mittleren stufenaufgang, direkt hinter einem verliebten paar. verliebte paare kuscheln gern und stecken ihre köpfe zusammen, was ein drübersehen garantierte. ich hatte scheinbar den perfekten platz.

martin klein schreitete mit obligatorischer sonnenbrille im dunklen theatersaal zu seinem klavier. er hatte sich eine setlist vorbereitet und begann das tasteninstrument zu bedienen und seine weiche stimme darüber zu legen. soweit so gut. einige stücke trug er mit hilfe von notenblättern vor. als er zwischendurch ein bisschen was zu den songs erzählte, war es immer eine ganz eigene art von humor. es sollte ein stück folgen, auf das er sich erst einstellen musste. irgendwie wollte das aber nicht funktionieren, nach todtraurigen klaviermelodien ein heiteres stück nachzulegen. er begann alles zu verwerfen und spontan ein völlig anderes lied zu spielen. und dann ging es los. nach plan war jetzt gar nichts mehr und das fand ich wahnsinnig erfrischend!

eher weniger erfrischend fand ich meine sitznachbarn. die dame neben mir zog immer genüsslich an ihrer e-zigarette und das enstehende schlürfgeräusch war nicht so prickelnd zu zauberhaften klaviertönen. sie hatte neben ihrer e-zigarette auch ihre ganze familie mitgebracht und eine dame aus ihrem klan hatte das bedürfnis ein foto zu machen. natürlich aber nicht vom sitzplatz aus sondern von ganz vorne. gleichgewicht war auch nicht so ihr ding und so flog sie beim gang zu den stufen fast auf mich drauf und vor der bühne auch beinahe hin. hui. einen song später torkelte sie wieder zurück und als sie endlich wieder am platz saß, war ich erleichtert. ich musste nur noch das schlürfgeräusch ertragen und nicht mehr angst vor fallenden menschen haben.

zurück zum konzert. martin klein erzählte, dass er von elektro guzzi zum song „keine overdubs“ inspiriert wurde und spielte dieses tanzbare stück darauffolgend. er performte „the sun“ und merkte an, dass fm4 nur diesen song von ihm im radioprogramm hat und das auch einer der wenigen englischsprachigen sei. auf mein lieblingslied „träum“ musste ich leider verzichten, aber dafür fand „das floß“ in seine improvisierte setlist. neben all diesen songs und den geschichten, gab es aber auch momente, in denen der freak in ihm zum vorschein kam. manche songs konnte er nur mit sonnenbrille spielen, manche songs kündigte er mit dem immer gleichen satz tausend mal wiederholt an. das war wahnsinnig witzig und er entschuldigte sich auch zwischendurch für die „freakshow“. aber dafür hätte er sich nicht entschuldigen müssen, das macht martin klein schließlich aus. diese (absichtliche) unsicherheit, dieses seltsame aber gleichzeitig total sympathische.

das theater an der gumpendorfer straße erwieß sich als besonders tolle location für dieses klavierkonzert. auch wenn zwischendurch die monitore ausfielen und der tontechniker hektisch auf der bühne herumwerkelte, war es trotzdem ein wunderbar harmonischer abend. das licht und die farbeffekte, die eingesetzt wurden um den pianisten in szene zu setzen, waren absolut perfekt. martin klein bescherte mir einen wahnsinnig tollen abend – seine songs, seine weirdness und seine geschichten sind in kombination immer ein komplett einzigartiges erlebnis, ergänzen sich perfekt und lassen in keiner sekunde langeweile aufkommen. auch wenn man das bei einem ruhigen klavierabend vielleicht erwarten könnte. nein viel besser: martin klein ist eigentlich entertainer, nur ist einem das währenddessen nie bewusst. wie auch immer – es war wunderbar und ich freu mich schon auf den nächsten abend, an dem ich mich selbst zu einem klavierabend von martin klein ausführen werde.

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