der zweite tag auf dem reeperbahn festival in hamburg war völlig anders geplant, als er sich dann (spontan) gestaltete. plattenladenkonzerte, ein überraschungsgig von kettcar und schließlich das treiben lassen auf der reeperbahn erwies sich als beste formung des tages.

die biere vom vortag, genauer gesagt von der austrian heartbeats reception im indra, hinterließen ihre spuren. den ursprüngliche plan schon um 9.30 uhr (!) auf der reeperbahn sein zu wollen, verwarf ich ganz schnell wieder. stattdessen fand ich einen flyer in meiner tasche, der mich auf plattenladenkonzerte gegen 11 uhr hinwies. diese uhrzeit war zu schaffen, selbst als langschläfer.

in meiner romantischen vorstellung hatten plattenladenkonzerte etwas zauberhaftes und gleichzeitig rebellisches. und davon wollte ich mich überzeugen lassen. also ging es erst mal zum supermarkt um frühstück zu besorgen und dann schlenderte ich die bernstorffstraße von der schanze bis zur ecke paul-roosen-straße entlang. ein herrlicher morgenspaziergang! angekommen am ort des geschehens war schnell klar, dass die konzerte nicht in dem mini-plattenladen stattfinden würden, sondern direkt davor. schönes wetter in hamburg ist nicht oft vorhanden, und wenn es mal da ist, dann muss man es ausnutzen und alles draussen machen.

etwas später ging es dann los: „farewell dear ghost“ oder besser gesagt sänger philipp platzierte sich mit gitarre auf dem gehsteig. zunächst waren nur freunde und bekannte aus dem österreichischen musikkosmos anwesend, später gesellten sich auch passanten dazu. ein typ blieb sogar mit seinem auto stehen, kurbelte das fenster runter, hörte zu und fuhr erst nach ende des songs wieder weiter.

insgesamt war aber allen anwesenden anzusehen, dass sie müde waren, auch dem oberhaupt von farewell dear ghost. nach seinem kleinen set wurde es wieder ruhig und alle vorbereitungen für „ankathie koi“ wurden in angriff genommen. davor, dazwischen und danach vertilgte ich mein frühstück fertig, führte ein telefonat mit meiner bank und nahm einen freund (und twitter-star!) in empfang, der mehr oder weniger spontan über nacht mit dem zug nach hamburg fuhr.

nach einer kurzen umbaupause ging es dann weiter mit der grande dame der hiesigen popmusik, ankathie koi. besonders schön fand ich, dass sie den fijuka-hit „behave“ performte, da ich eigentlich nur solo-zeug erwartete und als großer fijuka-fan innerlich purzelbäume schlug. wieder blieben einige passanten stehen, andere zogen weiter. es war ein kommen und gehen, aber alle hatten eines gemeinsam: sie genossen die musik für einige minuten an diesem schönen spätsommer-tag.

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es wurde mittag, das frühstück war bereits in vergessenheit geraten und ich schlitterte in eine zwickmühle: noch beim plattenladen bleiben und auf „jo stöckholzer“ und seinen auftritt warten, oder aufbrechen und auf die suche nach nahrung machen? auch mein twitter-star-freund war hungrig und schließlich stimmten unsere mägen für das aufbrechen zur reeperbahn. dort wurde traditionell fisch verköstigt, ehe sich unsere wege wieder trennten.

für mich ging es dann weiter zu diversen vorträgen und panels, die mich allesamt leider nicht so flashten. immer das handy in der hand und dank eu-roaming am permanenten checken, welches abenteuer ich als nächstes erleben konnte. eine twitter-nachricht später war klar: ich musste wohl oder übel zum knust wandern (das mindestens 20 minuten fussweg in anspruch nahm), dort spielten „kettcar“ nämlich ein kostenloses überraschungskonzert. ausserdem traf ich eine weitere twitter-userin, die sich gerade auf hamburg-urlaub befand (hi carina!). noch kurz als wegweiser für einen bekannten fungiert, und dann diese langweilige straße entlang dem stadion bis zum knust und zum sogenannten „lattenplatz“ marschiert.

das schanzenviertel war bisher immer mein viertel, in dem ich übernachtete. dementsprechend kannte ich schon so einige schleichwege. einer davon war der, direkt in die erste reihe. und zwar völlig ohne den ganzen menschenstrom zu durchqueren. darauf war ich stolz. das stundenlange durchwandern der hansestadt während meiner letzten trips hatte sich endlich mal bezahlt gemacht. und dann: kettcar. begrüsst hatten sie ihr publikum mit „hallo wir sind tomte“, der witz kam allerdings nicht wirklich an. dafür kam ihre musik ganz gut an: in schönster rock’n’roll manier bedienten die herren ihre gitarren, grinsten um die wette und ließen hamburger weisheiten über ihre lippen gleiten.

zwölf songs hatten kettcar vorbereitet, die jung und alt gleichermaßen begeisterten. die kleinen kids, die am zaun klammerten und aufgeregt zur „bühne“ sahen und etwas ältere menschen, die nostalgisch vor sich hinwippten. kettcar für groß und klein, für jung und alt. ich wollte sehen wie die stimmung ganz am ende des lattenplatz‘ ist, ging meinen schleichweg zurück und aussen herum und war dann ganz hinten, wieder ohne die menschenansammlung zu stören. und wie der zufall es so wollte, traf ich wieder zufällig freunde und verlieb das restliche set sitzend und tratschend abseits des konzerts.

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da dieser kettcar-gig ganz spontan reingerutscht war, war mein eigentlicher plan sowieso bereits völlig über den geworfen. und wenn man nicht mehr weiß, wohin man gehen soll, hat man am reeperbahn festival zwei möglichkeiten, die immer alles retten: entweder zum reeperbus zu gehen oder das molotow aufsuchen. der reeperbus war näher und das line up sehr vielversprechend. gerade als ich ankam spielte „wildes„, die ich sowieso sehen wollte. es passte also perfekt!

die junge dame erinnerte mich von ihrer art her sofort an birdy. auch ihre stimme war ähnlich zart und stark zugleich. ein paar wenige songs spielte sie gemeinsam mit ihrer mitmusikerin auf der improvisierten bühne, gerade genug um sich ein urteil zu bilden und um zu wissen: ja, die ist gut. danach meldete sich mal wieder mein magen, aber der plan schnell was von einem foodtruck zu essen zu holen, scheiterte. gefühlt tausend menschen pro schlange: dann lieber hungern dachte ich. ausserdem konnte ich den nächsten act auf dem reeperbus nicht verpassen.

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ich saß da, irgendwo am fuße des reeperbus‘, sah den menschen beim arbeiten zu und wartete auf mein persönliches highlight: „j. bernardt„. nach einer anmoderation des auftrittes, gingen bei mir plötzlich alle lichter auf: j.bernardt gehört eigentlich zur band balthazar. das erklärte auch, warum er mir so bekannt vorkam und warum ich seine musik vergötterte. okay, zugegeben vergötterte ich auch seinen anblick: männer mit dunklen haaren und bärten… hui. aber das ist eine andere geschichte.

drei songs lang konnte ich eintauchen in seine musikalische welt, in sein akustik-set und vor allem in seine tiefe, einnehmende stimme. die zeit schien still zu stehen, alle waren mucksmäuschenstill und wie elektrisiert, ihm zuhören zu können. drei songs, völlige entspannung und mein anschmachtslevel auf 100% (bin auch nur ein mensch).

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mein nächster weg führte mich direkt ins legendäre molotow. dort wollte ich mir „yellow days“ zu gemüte führen, die mir von einigen seiten empfohlen wurden. als ich ankam war der club bereits bestens gefüllt, meiner kamera sei dank wurde mir der weg zur bühne freigeschaufelt und ich war bereit für die junge band. was ich erwartete? ich weiß es nicht. etwas, was mich aus den latschen hauen würde. aber soweit kam es nicht.

yellow days spielten ihre instrumente sehr behutsam, mit viel gefühl. soviel gefühl, dass man meinen hätte können, sie würden auf kostbaren porzellan musizieren. die stimme des sängers war kratzig aber trotzdem eindringlich. viel soul strömte durch das molotow. soviel soul, ja fast ein bisschen zuviel soul, nur mitschwingen war erwünscht. wir standen da aber in einem elend heißen molotow, das mit rotem licht getränkt war, schweißperlen an den gesichtern hervorrief und danach verlangte, wie wild abzugehen. aber das passierte nicht. yellow days spielten gemütlich vor sich hin, für meinen geschmack zu gemütlich. ein sitzkonzert wäre hervorragend gewesen, aber das molotow? ein ort der ekstase? mir war der aufenthalt auf alle fälle zu langweilig. ich besuchte noch kurz das molotow backyard ehe ich mich wieder auf den weg machte. zurück zu den docks!

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ich muss leider zugeben, dass mich „welshly arms“ irgendwie an nickelback erinnerten. oder sagen wir besser: eine mischung aus nickelback und kodaline. auch beim betreten der docks und dem aufmerksamen lauschen ihrer tunes, ließ mich diese rock-boyband-assoziation nicht los. dieses glattgebügelte. dieser rock, ohne ecken und kanten. einige songs lang verblieb ich in der location, setzte mich auf eine der gemütlichen sitzgelegenheiten und checkte die reeperbahn-festival-app um herauszufinden, wohin ich als nächstes gehen sollte. welshly arms waren auf jeden fall nicht das, wonach ich suchte.

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neben den docks befindet sich das st. pauli klubhaus mit einigen locations. eine davon nennt sich „bahnhof pauli“, und dieses kellerlokal visierte ich als nächstes an. auf der bühne: „the aces„, eine frauen-band aus amerika, die mehr drauf hatte als hübsch auszusehen. gerade weil in amerika soviel wert auf äußeres gelegt wird, hatte ich ein bisschen bedenken, was ihre live-qualitäten anbelangte. aber kaum war ich in diesem club angekommen, war ich sofort verzaubert. das licht, in das die damen getränkt wurden, die herangehensweise, wie sie ihre instrumente bedienten… ich war baff. soviel professionalität hatte ich ihnen nicht zugetraut. und auch nicht soviel energie! als sie dann gegen ende auch noch „stuck“ spielten, ihren derzeitigen hit, war das ganze lokal am tanzen, einschließlich mir. das war ganz toll!

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meine nächste überlegung war: nachhause oder doch noch irgendwohin gehen? das kukuun befand sich genau über dem bahnhof pauli und „aliocha“ war dort gerade am performen. einen sprung wagte ich dorthin, traf einen bekannten vom letzten jahr des festivals an der bar und musste feststellen, dass aliocha leider total austauschbar ist. wir tranken ein getränk und entschieden schlussendlich richtung molotow zu spazieren – vielleicht würde sich dort mehr musikalisches entertainment befinden?

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zwischen spielbudenplatz und molotow tummelten sich soviele freunde und bekannte, deswegen wurde das molotow schließlich nur wenige minuten besucht und für langweilig befunden und ich hing mich an, an einer gruppe, die am weg zum bunker, zu „terrace hill“ war. da der weg dorthin sowieso auf meinem nachhauseweg lag, kam es mir recht gut gelegen. und tja, welch gute entscheidung das war!

wir stürmten die location in oberster etage des flakturms und kamen genau zum richtigen zeitpunkt an, und zwar als „childhood“ gerade einen ihrer ohrwürmer spielten. kollektives „richtige entscheidung getroffen“ machte sich breit. es machte spaß der band aus london zuzusehen, mitzutänzeln, sich genüsslich einen drink zu genehmigen. nicht zu voll aber auch nicht zu leer – es war einfach genau richtig, das letzte konzert des abends dort zu begutachten.

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danach ging es nachhause mit der gewissheit, einen haufen gute bands gesehen zu haben und den tag, trotz vieler spontanen wendungen, richtig gut verbracht zu haben.

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