unvorstellbar, dass ich bis dato noch nie über den protestsongcontest berichtet habe. diese kritische musikveranstaltung existiert bereits seit 2004 und wurde seither immer im rabenhoftheater im dritten wiener gemeindebezirk ausgetragen. der tiefere sinn hinter diesem wettbewerb: musikalische proteste bewerten, die sich mit gesellschaftspolitischen themen beschäftigen.

relativ spontan, genauer gesagt drei tage davor, beschloss ich die veranstaltung zu besuchen. bereits ausverkauft, wie jedes jahr, war es doch ein bisschen schwierig noch an ein ticket zu kommen. aber alles geht wenn man will. da ich das rabenhoftheater nur von theater- oder kabarettstücken kenne, war ich gespannt wie denn dieser kontest ablaufen würde. zu meiner verwunderung waren alle stühle abgebaut – dies erwies sich aber als sehr gut, denn somit konnte sich konzertfeeling breit machen.

begonnen hat alles mit einem chor, der ein liedchen trällerte, ehe moderator michael ostrowski dann durch das event führte. wer den herren kennt, der weiß, dass keine zwei minuten vergehen ohne den ersten drang unermüdlichen lachens zu bekommen. lachen ist gesund, da darf man ruhig schon mal mitmachen.

sehr rasch begann der bewerb: die ersten teilnehmer „post period“ stürmten die bühne und blendeten zunächst mal mit viel schminke und glitzer. die drei damen performten den song „sonic war“ und ehrlich gesagt, blieb mir nicht viel in erinnerung, ausser das aussergewöhnliche erscheinungsbild. richtig interessant wurde es, als die jury, bestehend aus stefanie sargnagel, voodoo jürgens, peter paul skrepek, martin blumenau, clara blume und olivera stajic, ihren wortmeldungen freien lauf ließen. so fielen begriffe wie „matriachart“ und „postfaktisch“, die im laufe des abends nicht mehr wegzudenken waren.

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weiter im programm mit den nächsten teilnehmern „tombadour“ und dem song „mein land“. die beiden herren präsentierten sich mit hauben und einem guten beat, sowie der textzeile „mein land ist einbahn, dein land ist einbahn, besser traurig als einsam“. dass danach genau darüber diskutiert wurde, was denn nun wirklich besser ist (traurigkeit oder einsamkeit?), konnte man erahnen. im laufe der regen unterhaltungen wurde auch klar, dass martin blumenau schon seine eigenen theorien hat, wie man diesen protestsongcontest gewinnt: nämlich nur mit chansons. tombadour hatten beste voraussetzungen, den sie boten chansons-reggae.

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erst bei den nächsten künstlern, einem duo, fielen mir die leinwände mit den songtexten auf – als power-konzertgeher ist man aber normalerweise auch wirklich immer nur mit den augen bei der bühne und nicht abseits auf leinwänden. ich hoffe es sei mir verziehen, das nicht sofort bemerkt zu haben. „seralox“ waren mittlerweile auf der bühne und lieferten mit „grab that trump“ einen ziemlich guten, schnellen punksong. das darauffolgende interview, ausführend von herrn ostrowski, trieb die gruppe ein bisschen in die enge, sich einfach an einem beliebigen thema bedient zu haben um einen protestsong zu haben. ich sage: jeder hat das recht sich über die dinge aufzuregen, über die er sich aufregen mag. in meinem fall wäre das immer das wetter. vielleicht sollte ich darüber ein lied schreiben und auch mal mitmachen, oder gab es das schon?

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simon & jan“ waren mit „weil ich kann“ als nächste auf der bühne zu sehen. kritik am wohlstand war das thema, worauf herr blumenau nur wie folgt antworten konnte: „über ironie sind wir hinweg“. ebenso eher schwach hatte ich die darauffolgenden „mieze medusa & tenderboy“ in erinnerung, die mit „danke, dass du denggst“ einen song dropten, bei dem protest kaum erkennbar war. auch musikalisch wär da mehr drin gewesen. egal, weiter ging es im programm mit „schapka„, die dem publikum „experimental free jazz punk“ um die ohren hauten und einen songtitel der sich „usqq“ nannte. okay.

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schmunzeln musste ich bei „badmandi & die rootzbuam feat holy moly„, die mit „wicked babylon system“ wieder die fragen aufwarfen, was dieses „babylon“ eigentlich ist und warum soviele davon singen. endgültig geklärt wurde das ganze nicht, aber die mödlinger truppe erfreute mit ihrem reggae-sound trotzdem die anwesenden gemüter. ein bisschen geschockt war ich bei der nächsten gruppe „permaneder„, denn den sänger dan knopper hatte ich erst vor kurzem auf einem wohnzimmer-konzert erlebt. ach, die welt ist klein und wien ist ein dorf. der vorgetragene song „ein wintermärchen“ war leider nur mittelprächtig.

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und dann? dann kamen „fichtenharz“ auf die bühne, die „auf biegen und brechen“ performten und mit einem sackerl voller scherben einen soundeffekt zu erzielen versuchten. ich notierte mir noch „stop making sense“, kann mich leider aber gerade nicht mehr erinnern auf was ich diese phrase bezog, aber irgendwie passts auch zum scherbensackerl. wer richtet mit mir ein spendenkonto ein, um der truppe ein richtiges effekt-instrument zu finanzieren?

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das beste kommt bekanntlich zum schluss. „danyal“ präsentierte seine nummer „hosgeldiniz (reisst die arme auf)“ und sorgte sofort für kollektives kopfnicken. hip-hop-rnb-songs mit pop-refrains a la beyonce sind einfach so richtig 2017. beinahe die gesamte jury konnte dem song, der sich mit ausländerfeindlichkeit beschäftigte, etwas abgewinnen. stefanie sargnagels kommentar „gastarbeiterkinder sind noch cooler als arbeiterkinder“ spiegelte die kollektive haltung aller anwesenden gegenüber unserer mitmenschen aus anderen nationen. ich fand das schön. ein protest für mehr liebe unter menschen, das kann man eigentlich nur gut heißen!

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zwischenzeitlich vergaß ich, dass es sich um einen kontest handelte und die jury sich zurückziehen musste um ein „urteil“ zu fällen. vorjahresgewinnerin „sarah lesch“ überbrückte die beratungspause mit ganzen drei songs und brachte im darauffolgenden interview mit michael ostrowski noch ein schönes zitat: „was haben wir wenn nicht die hoffnung?“. protest und hoffnung liegen nah beieinander – und vielleicht gewann auch deswegen schlussendlich „danyal„. wie auch immer, der auftritt und die message waren stimmig und „postfaktisch“ war das wort des abends. danke protestsongcontest, wir sehen uns nächstes jahr ganz bestimmt wieder – vielleicht nicht unbedingt wegen der musik, aber wegen den lustigen gesprächen der jury und des moderators zwischendurch. allein das ist es wert, diese veranstaltung zu besuchen!

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